Schlagwort-Archive: Prekarität

Den Bock abgeschossen – welche Bewegung bewegt was? – Ein Statement von Stadt von Unten

(Fast) Alle waren da! Das ex-besetzte Sozialwissenschaftliche Institut der Humboldt Universität.

(Fast) Alle waren da! Das ex-besetzte Sozialwissenschaftliche Institut der Humboldt Universität. Tadzio hat niemand Bescheid gesagt.

Erstveröffentlichung auf stadtvonunten.de am 27.Februar 2017

Das Neue Deutschland titelt am 16.02.2017: „Meine Fresse, haben wir das verbockt!“ und meint die „Causa Holm“. Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), regt sich in einem Video, auf das der Artikel Bezug nimmt, darüber auf „dass die Bewegungslinke zu wenig zur Unterstützung des Berliner Staatssekretärs getan hat“.

In Alphamännchen-Manier schließt Tadzio Müller von seinem eigenen Verhalten, seinen eigenen Versäumnissen, auf andere: Was ich selbst nicht gesehen habe, wo ich selbst noch nicht mal auf die Idee gekommen bin, kann es auch nicht gegeben haben. Erwähnung findet nur eine „kleine Kundgebung“ auf der man den Regierenden Bürgermeister Michael Müller etwas angepöbelt habe. Die Studis im besetzten Institut für Sozialwissenschaften (ISW) an der Berliner Humboldt-Universität – auch ganz nett. Ansonsten habe „die Linke“ und „die Zivilgesellschaft“ versagt.

Diese Wahrnehmung ist doch sehr eigen. Eine kurze Rekapitulation, was alles von „der Zivilgesellschaft“ geleistet wurde – übrigens ohne dass man dabei von Seiten der Linkspartei oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Entscheidungen mit einbezogen oder bei der Gegenkampagne unterstützt worden wäre: Es entstanden zahlreiche offene Briefe, unter anderem von der stadtpolitischen Bewegung selbst, aber auch von Wissenschaftler_innen, von den Jugendverbänden der Linken, SPD und Grünen und von Teilen der DDR-Opposition.
Die Petition #holmbleibt sammelte in kürzester Zeit über 16.000 Unterschriften. Viele Menschen aus stadtpolitischen Initiativen waren in ständigem Austausch mit Andrej Holm selbst, um zu überlegen wie den Angriffen von Rechts zu begegnen sei. Darüber wurden zahlreiche Interventionen in die öffentliche Debatte über den Umgang mit DDR-Biografien organisiert.
Als Andrej Holm als Staatssekretär zurückgetreten wurde, verkündete er dies auf einem Treffen mit stadtpolitischen Initiativen, auf dem über 150 Personen aus diesen Initiativen anwesend waren.
Als Studierende für Wochen das ISW besetzten und Holms Verbleib zumindest an der HU forderten, politisierten sich zahlreiche Studierende. Sie wurden unterstützt von stadtpolitischen Initiativen, die ihre Organisierungserfahrungen einbrachten und den Studierenden von ihrer Arbeit berichteten. In kürzester Zeit mobilisierte man für eine Demonstration mehr als 1.500 Menschen. Dadurch entstand eine themenübergreifende Mobilisierung, die mietenpolitische Kämpfe mit Kämpfen um kritische Lehre und Arbeitsverhältnisse an Universitäten verband. Hier konnte schließlich ein Erfolg gefeiert werden: Andrej Holms Kündigung wurde zurückgenommen.

Hauptamtliche, bezahlte Kräfte haben sich in diese Kampagnenarbeit nicht eingebracht. Nun wirft ein RLS-Referent der „Bewegungslinken“ und der „Zivilgesellschaft“ vor, nichts gemacht zu haben. Das ist einigermaßen absurd.

Für viele Menschen, die wochenlang – auch über die Weihnachtszeit – ihre Zeit für eine Gegenkampagne zum Angriff auf Andrej Holm aufgebracht haben, stellt sich die Situation ganz anders dar: Eine Hochphase der Bewegung, der Zusammenarbeit zwischen stadtpolitischen Initiativen und anderen Gruppen. Sicherlich: Man hat es nicht verhindern können, dass Andrej Holm als Staatssekretär entlassen wird. Die Schuld dafür bei „der Bewegungslinken“ zu suchen ist allerdings heuchlerisch. Die stadtpolitische Bewegung hat, ganz im Gegenteil, an einem Strang gezogen wie selten und mit zahlreichen Aktivitäten und Debattenbeiträgen aktiv in die Kampagne eingegriffen.

Aber hat Tadzio Müller etwa gar nicht diese Aktivitäten und die dahinterstehenden Gruppen mit seinem behaupteten „wir“ gemeint, das es verbockt habe? Welche „Bewegungslinke“ spricht er an? Das bleibt einigermaßen unklar. Relevanter ist jedoch die Frage: Mit welcher „Bewegung“ sucht man als Partei oder als parteinahe Stiftung die Nähe? Mit einer linken Szene, die selbst keinen Kontakt mit sozialen Kämpfen hat und sich zugegebenermaßen nicht für #holmbleibt engagiert hat? Oder sollte man nicht eher die Nähe zu den Bewegten suchen, die in zeitintensiver Organisierung, detaillierten Sach-Recherchen und täglicher Arbeit die öffentliche Debatte ständig in Bewegung halten und für die Politisierung so vieler neuer Menschen sorgen?

Die stadtpolitische Bewegung entprekarisieren

Bezahlt wird diese Arbeit nicht, anerkannt oft auch nicht – so muss man zumindest aus den Äußerungen aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung schließen. Das sollte sich ändern. Es wird dringend Zeit, dass die hochgradig prekäre Arbeit der stadtpolitischen Bewegung unterstützt wird, die auf dem freiwilligen, neben Ausbildung, Erwerbsarbeit oder auch in der Erwerbslosigkeit geleisteten Engagement vieler Menschen beruht.
Vielen von uns fehlt zum Beispiel die Zeit eine sinnvolle Vernetzung der einzelnen Initiativen aufzubauen, die nicht nur auf dem Engagement einzelner Personen beruht. Der Aufbau von fachlicher Expertise und einer langfristigen Perspektive auf die Stadtentwicklung Berlins würde durch feste, bezahlte Stellen vorangetrieben. Eine kontinuierliche Basisorganisierung der von Verdrängung, Diskriminierung und Marginalisierung am meisten betroffenen braucht Ressourcen und einen langen Atem. Wenn die LINKE und die RLS es mit Bewegungsnähe ernst meinen, muss sie einen Schritt auf die stadtpolitische Bewegung zugehen und – zum Beispiel – ihr Stiftung dafür nutzen, Teile der Bewegungsarbeit zu ent-prekarisieren.

Denn was heißt es, als stadtpolitische Bewegung „zu gewinnen“ und an den eigenen Erfolg „zu glauben“, wie es Tadzio Müller fordert? In den vergangenen Jahren haben stadtpolitische Initiativen immer dann Erfolge feiern können, wenn es ihnen gelungen ist, sich gemeinsam mit Betroffenen zu organisieren, Menschen zu politisieren, politischen Druck aufzubauen, mit eigenen Interventionen konkrete Verbesserungen durchzusetzen und gleichzeitig eine Vision von einer emanzipatorischen Stadt für alle zu entwerfen. Erfolg in diesem Sinne lässt sich nicht auf einen Schlag erringen, sondern ist ein langer Weg und wird von Rückschlägen nie verschont bleiben. Ohne eine solche Organisierung von unten hätte auch ein Staatssekretär Andrej Holm – das hat er selbst immer wieder betont – kaum Erfolge erringen können.

Stadt von Unten, Berlin 27.02.2017


Hier das angesprochene Video:

Veröffentlicht unter #holmbleibt, Bewegungs-Debatte | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Den Bock abgeschossen – welche Bewegung bewegt was? – Ein Statement von Stadt von Unten

#Blockupy 2016 – An die #Arbeit: Exit Austerity – Exit Fortress Europe – Exit Capitalism! 2. – 4. September


Blockupy 2016 – An die Arbeit:
Exit Austerity – Exit Fortress Europe – Exit Capitalism!
2. – 4. September

Blockieren wir das Arbeitsministerium – Markieren wir ihre Verarmungs- und Ausgrenzungspolitik – gegen die Mauern im Innern und die Grenzen nach Außen

Zu lange waren wir nicht mehr gemeinsam auf der Straße sichtbar. Dabei findet unsere praktische Solidarität tagtäglich statt: Wir sind Teil von Willkommensinitiativen, wir organisieren Unterstützung und Aktionen an den Grenzzäunen Europas. Wir bekämpfen Freihandel, Krieg und Klimawandel, die täglich Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Städte immer teurer werden. Wir organisieren uns gegen Niedriglöhne, die Drangsalierung durch die Jobcenter und die alle umfassende Unsicherheit im Leben und der Arbeit. Unermüdlich schreiten wir ein gegen Nazis, AfD und die Aufmärsche vermeintlich besorgter Bürger*innen“, widersetzen uns dem gesellschaftlichen Rechtsruck in Politik, Medien, auf der Straße. Das zeigt: Es gibt es, das Lager der Solidarität – überall in Europa. Und es gibt die Momente, die uns beleben, wenn wir uns gegen den autoritären Kurs der EU und der nationalen Regierungen wehren – Paris lässt grüßen!

Daher starten wir am 2. September pünktlich um 7.30 Uhr morgens zum Arbeitsministerium, um bunt und entschlossen ein starkes Zeichen gegen Prekarität und Grenzen zu setzen. Unser Ziel ist es, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu blockieren und dessen Politik der Ausbeutung, sozialen Spaltung und Ausgrenzung zu markieren.

Die beiden Treffpunkte am 2. September um 7.30 Uhr sind:

  • Potsdamer Platz (Thema: Prekarität/Klassenkampf)
  • Gendarmenmarkt (Thema: Antira/NoBorder)

Diese Orte liegen östlich bzw. westlich des Arbeitsministeriums. Dort gibt es angemeldete Kundgebungen. Kommt zu einem dieser beiden Punkte. An jedem Ort gibt es einen eigenen inhaltlichen Schwerpunkt und Ausdruck. Bringt thematisch passende Gegenstände unseres prekären Alltags, der Symbole der sozialen Spaltung und der Abschottung an den Außengrenzen mit – und wie immer Regenschirme und alles andere, mit dem wir gute Erfahrungen gemacht haben.

Weitere wichtige Infos zur Aktion gibt es auf unserer Last-Infos-Veranstaltung am Abend vorher, Donnerstag, 1. September um 20 Uhr im SO36 (Oranienstraße 190, Berlin-Kreuzberg).

Wie in der Vergangenheit gibt es einen Aktionskonsens, der unsere vielfältigen Möglichkeiten skizziert. Für uns gilt: Wir kommen gemeinsam an und beenden die Aktion gemeinsam.“

Informationen unter: https://blockupy.org/


Veröffentlicht unter Arbeit & Hartz 4, International, Soziales, Termin | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für #Blockupy 2016 – An die #Arbeit: Exit Austerity – Exit Fortress Europe – Exit Capitalism! 2. – 4. September