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Gegendarstellung: „Ein Journalist hinter Gittern – weitere Hintergründe zur Inhaftierung von Olaf Kampmann“

Mit Schreiben vom 11.05.2018 erhielt die Redaktion des wirbleibenalle.org-Blogs ein E Mail-Schreiben des Anwalts von Klaus Mindrup weitergeleitet. In diesem Schreiben zeigte der Anwalt die Vertretungsvollmacht seines Mandanten an und bemängelte die Darstellung des Artikels „Ein Journalist hinter Gittern – weitere Hintergründe zur Inhaftierung von Olaf Kampmann“. Es wurde sich daraufhin mit dem Anwalt geeinigt, die anwaltliche E-Mail zu veröffentlichen, womit aus Sicht der Redaktion „der Position des Mandanten, genüge getan ist.“ Der Anwalt forderte die Redaktion zudem auf, dass „beigefügte Anlagen mitveröffentlicht werden, um dem Leser vollen Einblick zu gewähren“. Diesem Wunsch geht die Redaktion hiermit nach.


Anwaltliche E-Mail vom 11.05.2018:

Hiermit zeige ich Ihnen die Vertretung von Herrn Klaus Mindrup an. Auf mich lautende Vollmachtsurkunde füge ich dieser E-Mail bei (Vollmacht liegt der Redaktion vor).

Nach hiesigem Kenntnisstand sind Sie Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes für die Inhalte der Internetseite „wirbleibenalle.org“. Auf dieser Seite wurde mit Datum vom 04.05.2018 unter der Überschrift „Ein Journalist hinter Gittern – weitere Hintergründe zur Inhaftierung von Olaf Kampmann“ ein Artikel veröffentlicht, der meinen Mandanten betrifft und leider zahlreiche falsche Behauptungen enthält.

Im Einzelnen:

1.) In dem Artikel wird behauptet, Herr Kampmann habe aus Kostengründen auf die Einlegung einer Berufung verzichtet.

Dies ist unwahr.

Richtig ist, dass die damalige Prozessvertreterin Herrn Kampmanns, Rechtsanwältin Hölzer, mit Datum vom 15.07.2014 (im Schriftsatz fälschlicherweise 15.07.2013 bezeichnet) die zuvor eingelegte Berufung ausführlich begründete (Berufungsbegründung als .pdf), das Kammergericht die Begründung prüfte, ihr allerdings keine Aussicht auf Erfolg bescheinigte (Ankündigung der beabsichtigten Zurückweisung als .pdf), und sie schließlich zurückwies (Zurückweisung als .pdf). Es ist also keinesfalls so, dass aus Kostengründen keine Berufung eingelegt worden sei.

2.) Irreführend unvollständig ist auch die Aussage, dass Herr Kampmann den zu unterlassenden Satz aus dem Tenor des Urteils des Landgerichtes Berlin vom 03.04.2014 unkenntlich gemacht habe. Dies mag für die Seite „prenzlberger-stimme.de“ gelten, nicht jedoch für die Facebookseite der Prenzlberger Stimme, auf der der inkriminierte Satz bis zum heutigen Tage fast wortwörtlich zu finden ist:

3.) Irreführend ist auch, dass der erste Ordnungsmittelantrag zwei Jahre nach dem Urteil des Landgerichtes Berlin vom 03.04.2014 gestellt worden sei. Da das Urteil erst mit Zurückweisung der Berufung am 08.06.2015 rechtskräftig wurde, war die Stellung eines Ordnungsmittelantrages zuvor nicht möglich.

4.) Unrichtig ist auch, dass sich die Ordnungsmittelanträge auf Passagen beziehen, die zuvor keinerlei Anstoß erregt hätten.

Richtig ist vielmehr, dass sich die Ordnungsmittelanträge sowohl gegen die ununterbrochene, (fast) wörtliche Wiedergabe des inkriminierten Satzes auf der Facebookseite der Prenzlberger-Stimme als auch gegen die sinngemäße Verbreitung der Aussage in den folgenden Abschnitten des Artikels „Überraschung: Mindrup doch Grundeigentümer am Fleesensee!“ richteten. Auch die sinngemäße Verbreitung des Satzes ist durch das Urteil untersagt.

5.) Unrichtig ist auch, dass Herr Mindrup 1.500,- € Ordnungsgeld beantragt habe. Die Festsetzung des angemessenen Ordnungsmittels wurde stets vollständig in das Ermessen des Gerichtes gelegt.

Nach alledem haben Sie sicherlich Verständnis, dass wir eine Korrektur der unrichtigen Aussagen verlangen.

Hierfür haben wir uns den 25.05.2018 vorgemerkt.

Mit freundlichen Grüßen
Philipp S. Zeltner
Rechtsanwalt

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Ein Journalist hinter Gittern – weitere Hintergründe zur Inhaftierung von Olaf Kampmann

Mit Schreiben vom 11.05.2018 erhielt die Redaktion des wirbleibenalle.org-Blogs ein E Mail-Schreiben des Anwalts von Klaus Mindrup weitergeleitet. In diesem Schreiben zeigte der Anwalt die Vertretungsvollmacht seines Mandanten an und bemängelte die Darstellung dieses Artikels. Es wurde sich daraufhin mit dem Anwalt geeinigt, die anwaltliche E-Mail zu veröffentlichen,  diese Darstellung ist hier veröffentlicht.

Der Journalist Olaf Kampmann hatte im Jahr 2013 auf den Seiten seines Blogs „Prenzlberger Stimme“ mehrfach über Grundstücksgeschäfte des damaligen Pankower Bundestagskandidaten Klaus Mindrup (SPD) berichtet.

In erster Instanz wurde der Betreiber der Prenzlberger Stimme am 3. April 2014 dazu verurteilt, künftig „weder wörtlich, noch sinngemäß zu äußern/oder zu verbreiten, der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup ist entgegen seiner öffentlichen Darstellung doch Privateigentümer von Grundstücken des Projekts Hafendorf Fleesensee am Landschaftsschutzgebiet Nossenthiner/Schwinzer Heide.“

Kampmann verzichtete aus Kostengründen auf eine Berufung und machte den entsprechenden Satz unkenntlich. Damit schien die Angelegenheit erledigt zu sein. Doch zwei Jahre (!) später, im April 2016, stellte Klaus Mindrup einen „Ordnungsmittelantrag“ gegen Olaf Kampmann, weil dieser das Urteil missachtet habe. Dabei bezog sich Mindrup auf zwei Passagen, die bis dato keinerlei Anstoß bei ihm erregt hatten.

 

 

Der Politiker beantragte bei Gericht, mit der Begründung eines angeblichen Verstoßes gegen das Urteil, 1.500 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise 15 Tage Ordnungshaft gegen Kampmann zu verhängen.

Der Antrag wurde offenbar mit heißer Nadel gestrickt. Die Rollen der Beteiligten wurden vertauscht, so dass sich Kampmann darin als Immobilieneigentümer (Gläubiger) wiederfand während der Bundestagsabgeordnete zum „Schuldner“ avancierte.

 

 

 

Auch wenn das ursprüngliche Urteil vom April 2014 kein Wort darüber verlor, dass die Berichterstattung über die diskussionswürdigen Grundstücksgeschäfte zu unterlassen sind, machten die Richter der 27. Kammer des Landgerichts klar, dass auch schon das Erwecken eines Anscheins zu untersagen sei. Und schlossen sich dem entsprechenden Antrag an. Dabei erbrachten sie einen sehr besonderen Service, indem sie den Antrag des Politikers insbesondere in der Frage von Gläubiger und Schuldner in seinem Sinne vom Kopf auf die Füße stellten. Nach Meinung von Olaf Kampmann wurde der ursprüngliche Antrag dadurch eigentlich grob entstellt. Und hätte abgelehnt werden müssen.

Und nicht nur das: Vier weitere Beschlüsse, die sich auf den ersten, nach Ansicht Kampmanns in unzulässiger Weise ergangenen Beschluss stützen, sind mittlerweile durch das Gericht ergangen und haben die Haftzeit auf 145 Tage oder 14.500 Euro erhöht. Seit dem 20. Februar sitzt Olaf Kampmann nun gemeinsam mit Schwerverbrechern in Haft in Plötzensee.

Ein weiterer Antrag des Bundestagsabgeordneten Klaus Mindrup zu einer nochmaligen Erhöhung von Haft und Ordnungsgeld liegt derzeit beim Kammergericht vor.

 

Olaf Kampmann mit einer Spende zu unterstützen:

IBAN: DE64100500000514075040
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Blogger droht Obdachlosigkeit

Die Situation um den seit Februar dieses Jahres für 145 Tage inhaftierten Blogger und Betreiber der „Prenzlberger Stimme“ Olaf Kampmann hat sich drastisch verschärft. Ihm droht jetzt der Verlust seiner Wohnung weil das zuständige Jobcenter seine Überweisungen Ende März eingestellt hat. Begründung: Kampmann habe Termine nicht wahrgenommen…

Der freie Journalist, bekannt auch als ODK, sitzt seit dem 20. Februar 2018 in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee in Haft. Ein Gericht hatte gegen ihn Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt 14.500 € festgesetzt, weil er einem Unterlassungsurteil des Landgerichts Berlin aus dem Jahre 2014 nicht Folge geleistet habe.

Geklagt hat der Pankower Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup gegen die Darstellung seiner privaten Geschäftstätigkeit bei einer Immobilienentwicklung am mecklenburgischen Fleesensee in der „Prenzlberger Stimme“.
Wir appellieren an alle, die eine kritische, unabhängige Berichterstattung für notwendig halten, Olaf Kampmann mit einer Spende zu unterstützen:

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Gefängnis für Blogger aus Prenzlauer Berg

Der Journalist und Blogger Olaf Kampmann (ODK), Betreiber des Web-Blogs „Prenzlberger Stimme“, sitzt seit dem 20. Februar 2018 in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee in Haft. Der Grund sind nicht bezahlte Ordnungsgelder in Höhe von insgesamt 14.500 €, die Gerichte gegen ihn verhängt haben, weil er angeblich einem Unterlassungsurteil des Landgerichts Berlin aus dem Jahre 2014 nicht Folge geleistet habe. Das Gericht hatte Olaf Kampmann verurteilt, eine bestimmte Aussage wörtlich oder auch sinngemäß zu unterlassen.
Geklagt hatte der Pankower Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup gegen die Darstellung seiner privaten Geschäftstätigkeit bei einer Immobilienentwicklung am mecklenburgischen Fleesensee in der „Prenzlberger Stimme“. Der Kläger war der Auffassung, dass Olaf Kampmann trotz Textlöschungen dem Gerichtsurteil nicht vollumfänglich Folge geleistet habe und hat deshalb die Verhängung von Ordnungsgeldern gegen den Journalisten, der bis zu seiner Inhaftierung ohne Rechtsbeistand blieb, erwirkt. Die Eskalation, Olaf Kampmann soll insgesamt 145 Tage in Haft bleiben, erscheint beispiellos in der deutschen Medienlandschaft.

Olaf Kampmann betreibt seit Mai 2010 die nichtkommerzielle lokale Webseite „Prenzlberger Stimme“. Neben Berichten über Pankower Bezirkspolitik mit den Schwerpunkten Wohnen, Mieten, Gentrifizierung, Verkehr sowie lokalen Sport- und Kulturereignissen, bietet die „Prenzlberger Stimme“ immer auch investigativen Journalismus.

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Twitter: @free_odk
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Hat Andrej Holm gelogen? – Ein Faktencheck

Einleitung

Nach der Bestellung von Andrej Holm als Staatssekretär für Wohnen in Berlin wurde intensiv über seine fünfmonatige Tätigkeit in den Jahren 1989/90 beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und seinen Umgang damit diskutiert. Ein von ihm im Zuge seiner Anstellung an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgeblich falsch ausgefüllter Fragebogen ist zum Gegenstand einer zum Teil aufgeregt geführten Debatte in Tageszeitungen, Politik und sozialen Medien geworden. In diesen Debatten haben viele Vermutungen, Behauptungen und Vorwürfe eine Eigendynamik erhalten und sich zu dem Bild verfestigt, Andrej Holm sei nicht offen mit seiner Stasivergangenheit umgegangen. Von Lügen, arglistigen Täuschungen und Erinnerungslücken ist die Rede. Doch stimmt das überhaupt?

Ein F.A.Q. der AG #holmbleibt-Recherche
Kerstin Meyer, Elske Rosenfeld, Enrico Schönberg


Hat Andrej Holm seine Zugehörigkeit zur Stasi verschwiegen? Hat er dazu falsche Angaben gemacht?

Nein. In der öffentlichen Debatte setzt sich bisweilen die Meinung fest, dass Andrej Holm seine Zugehörigkeit zur Stasi verschwiegen oder vertuscht habe. Dies entspricht nicht den Fakten.
Unstrittig und gut dokumentiert ist, dass Andrej Holm seit den 90ern offen mit seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Stasi umgeht, sowohl in seinem persönlichen und beruflichen Umfeld wie auch in der Öffentlichkeit.
Weiterhin unstrittig ist auch, dass Andrej Holm beim Ausfüllen des Fragebogens der Humboldt Universität im Jahr 2005 seine ehemalige Zugehörigkeit zum MfS (unter Frage 2.4 im Fragebogen) ausdrücklich angegeben und mit einem zusätzlichen Verweis (unter Frage 2.1 im Fragebogen) bekräftigt hat.
Die öffentliche Debatte drehte sich faktisch um die Frage der begrifflichen Einordnung seiner Zugehörigkeit. Holm hat seine fünfmonatige Zugehörigkeit zum MfS nicht als hauptamtliche Tätigkeit für das MfS, sondern als Wehrdienst und begonnene Ausbildung beim MfS bezeichnet.

1.1 - Unstrittig ist, dass Andrej Holm seit den 90ern offen mit seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Stasi umgeht, sowohl in seinem persönlichen und beruflichen Umfeld wie auch in der Öffentlichkeit. In einem Interview aus dem Jahr 2007 mit der taz legt er beispielsweise nicht nur seine Ausbildungszeit beim MfS offen. Er weist auch darauf hin, dass er sich von anderen Wehrdienstleistenden unterschied, da er “später für die Staatssicherheit arbeiten wollte.” In diesem Interview aus dem Jahr 2007 beschreibt er auch den genauen Inhalt seiner Tätigkeiten in dieser Zeit.
Quellen:
1.2 - In Interviews mit der Berliner Zeitung und der Zeit äußert sich Andrej Holm im Dezember 2016 noch einmal umfassend zu seiner Tätigkeit beim MfS, seinem familiären Umfeld, den Umständen seiner Anwerbung und der Verantwortung, die sich aus seiner heutigen Einschätzung für ihn daraus ergibt. Er beschreibt das Ministerium für Staatssicherheit als Teil eines Unterdrückungssystems und übernimmt Verantwortung für seine Beteiligung an diesem “repressiven Apparat”. Er verstehe, dass Leidtragende dieses repressiven Apparats Schwierigkeiten mit seiner Person haben.
Quellen:
1.3 - Andrej Holm hat die Nichttätigkeits-Erklärung im Jahr 2005 unterschrieben. Den genauen Wortlaut der sog. Erklärung Nichttätigkeit, findet man hier dokumentiert. Dort gibt es keine Möglichkeit, die Zugehörigkeit zum MfS anders zu qualifizieren als entweder hauptamtlich oder inoffiziell. Andrej Holm war kein Inoffizieller Mitarbeiter (IM) und sah sich mit seiner nicht abgeschlossenen Ausbildung auch nicht als hauptamtlicher Mitarbeiter. Er hat diese Frage verneint, indem er die Erklärung entsprechend unterschrieb.
Andrej Holm hat jedoch gleichzeitig mit der unterzeichneten Nichttätigkeits-Erklärung den „Zusatzfragebogen zum Personalblatt (Fin 542)“ ausgefüllt und abgegeben. In diesem Formular hat er seine Tätigkeit für das MfS angegeben und sie als Wehrdienst für das MfS bezeichnet. (vgl. Frage Nummer 7)
1.4 - Die Frage 2.1 (im „Zusatzfragebogen zum Personalblatt Fin 542) "Sind Sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/für das Amt für nationale Sicherheit oder für eine der Untergliederungen dieser Ämter oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen ?" beantwortete Andrej Holm zwar mit "nein". Aber er nutzte das vorgesehene Feld für Anmerkungen ("Falls Ja,in welcher Weise/Funktion?") für den deutlichen Verweis "siehe Wehrdienst" auf die darunter liegende Frage (2.4 - "Haben Sie Ihren Wehrdienst beim MfS/AfNS abgeleistet?"). Holm hat diese bejaht und um weitere Angaben ergänzt. Holm hat also seine Zugehörigkeit zum MfS unter Frage 2.4 ausdrücklich angegeben und mit einem zusätzlichen Verweis unter Frage 2.1 bekräftigt.
1.5 - Anders als in der B.Z. vom 14.12.16 kolportiert, hat er hier nicht eine harmloser klingende Anmerkung wie "nur Wehrpflicht" gemacht. Diese Angabe ist falsch zitiert und hätte lauten müssen "siehe Wehrdienst".

War Andrej Holm hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter?

Das ist völlig unklar, weil es unterschiedliche Einordnungen seiner begonnenen Ausbildung beim MfS gibt. Die Einordnung von Andrej Holm als „hauptamtlicher Mitarbeiter“ ist umstritten. In den Kaderakten des MfS taucht der Begriff nicht auf. Die Stasi selbst hat den Begriff nur für eine spezielle Gruppe von inoffiziellen Mitarbeitern benutzt. Ob eine kurzzeitige und nicht abgeschlossene Ausbildung mit dem Ziel einer späteren Tätigkeit für die Stasi als „hauptamtlich“ beschreiben werden kann, ist historisch nicht geklärt. Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) bewertet auch jugendliche Offiziersschüler wie Andrej Holm als „hauptamtliche Mitarbeiter“.

2.1 - Umstritten ist die Frage, ob Andrej Holm hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS war, wie es das Formular „Erklärung zur Nichttätigkeit“ bei Einstellung in den öffentlichen Dienst abfragt. Andrej Holm hatte durch die Unterzeichnung der Erklärung diese Frage verneint.
2.2 - Den genauen Wortlaut der sog. Nichttätigkeits-Erklärung , die er im Jahr 2005 unterzeichnet hat, findet man hier dokumentiert. In der öffentlichen Debatte im Dezember 2016 wurde wenig berücksichtigt, dass Andrej Holm zusammen mit der unterzeichneten Nichttätigkeitserklärung den „Zusatzfragebogen zum Personalblatt (Fin 542)“ ausfüllte, wo er seine Tätigkeit für das MfS angab und sie als Wehrdienst qualifizierte. (vgl. Frage 7)
2.3 - Andrej Holm hat eine Ausbildung beim MfS begonnen und wurde nach 5 Monaten bei der Auflösung des MfS aus dem Dienst entlassen. Sein Status als „Angehöriger des MfS“ in der Zeit vom 1.9.1989 bis 31.01.1990 war seit 2007 öffentlich bekannt und sein offener und öffentlicher Umgang damit ist sogar in seinem Wikipedia-Eintrag dokumentiert. Er wurde von der Stasi als Offizierschüler geführt.
2.4 - Der Begriff "hauptamtlicher Mitarbeiter" ist an sich schon umstritten: Zu Zeiten des MfS gab es keinen einheitlichen Begriff für hauptamtliche Mitarbeiter. Die Bezeichnung "Hauptamtliche" war kein gängiger Begriff für Wehrdienstleistende in der DDR. Üblich war die Bezeichnung "Angehörige des MfS" oder "Tschekisten".

Das MfS benutzte den Begriff „hauptamtliche inoffizielle Mitarbeiter“ (HIM) für Spitzel, die vom MfS mit einer offiziellen Legende in Betriebe und Institutionen eingeschleust wurden. Sie unterschieden sich in diesem Punkt von angeworbenen „inoffiziellen Mitarbeitern“ (IM). In diesem Sinn war Andrej Holm kein „hauptamtlicher Mitarbeiter“. Auch in den Kaderakten des MfS über Andrej Holm kommt der Begriff "hauptamtlicher Mitarbeiter" nicht vor.
Quellen:
  • Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen (BStU), 2016: Hauptamtliche Mitarbeiter. Offiziere und Unteroffiziere der Stasi. Berlin / BStU

2.5 - Die heutige Verwendung des Begriffs „hauptamtliche Mitarbeiter“ wurde nach der Wende von der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen (BStU) geprägt. Dabei werden fünf Kategorien unterschieden (BStU, 2016):

  1. Berufsoffiziere- und Unteroffiziere
  2. Unteroffiziere und Soldaten auf Zeit
  3. Offiziere im besonderen Einsatz
  4. hauptamtliche Inoffizielle Mitarbeiter und
  5. Zivilangestellte.
Der Status Offiziersschüler - als solcher wird Andrej Holm in den MfS-Akten geführt - taucht in den Kategorien der hauptamtlichen Mitarbeiter nicht explizit auf.
Quellen:
  • Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen (BStU), 2016: Hauptamtliche Mitarbeiter. Offiziere und Unteroffiziere der Stasi. Berlin / BStU

2.6 - Im Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Stasiunterlagen des Landes Thüringen aus dem Jahr 2000, heißt es: Personen, die ihren Wehrdienst im Wachregiment oder in einer Wach- und Sicherungseinheit einer Bezirksverwaltung absolviert haben, machen “keine wahrheitswidrigen Angaben […] wenn sie die Frage nach einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS im Zusammenhang mit einer Einstellung im öffentlichen Dienst verneinen.”
Quellen:
2.7 - Wolfram Pröhl, "Stasi-Auflöser" aus Dresden, erinnert daran, dass der Status eines MfS-Angehörigen vor allem denen bekannt war, die die Akten anlegten, d.h. den Abteilungen Kader und Schulung des MfS, die sowohl ‚Personalanwerbe-Abteilungen‘ als auch interne Kontrollorgane waren. Und "wir wissen es heute, weil wir diese einsehen können."
Quellen:

Wenn nicht Hauptamtlicher, welchen Status hatte Andrej Holm dann?

Andrej Holm hat im September 1989 eine militärische Grundausbildung beim MfS begonnen und wurde anschließend in der Bezirksverwaltung Berlin des MfS eingesetzt. Nach einem Jahr sollte er mit einem Volontariat beginnen und anschließend Journalistik studieren. Er hatte sich schon als Jugendlicher zu einer langfristigen Karriere beim MfS bereit erklärt. Nach seiner Wahrnehmung befand er sich in der Ausbildung zum hauptamtlichen Angehörigen des MfS.

Fazit: Andrej Holm hat eine Ausbildung beim MfS begonnen und hat mit diesem Selbstbild seinen Werdegang in öffentlichen Darstellungen, Lebensläufen und Formularen so dargestellt.

3.1 - Aus den Kaderakten geht hervor, dass Andrej Holm nach einer militärischen Grundausbildung und dem Dienst in der Bezirksverwaltung Berlin ab September 1990 ein Volontariat in der Redaktion der Jungen Welt und ab 1991 ein Journalistikstudium in Leipzig absolvieren sollte. Unumstritten ist, dass Andrej Holm also am Beginn einer mehrjährigen Ausbildung mit dem Ziel einer späteren Tätigkeit für das MfS stand. In den Kaderakten des MfS wird Andrej Holm als Offiziersschüler geführt.
3.2 - Andrej Holm beschreibt in Interviews seine Zeit bei der Stasi als Beginn der Ausbildung zu einer künftigen hauptamtlichen Tätigkeit beim MfS.
Quellen:
3.3 - Der ehemalige Bürgerkomitee-Mitarbeiter Wolfhard Pröhl bewertet Andrej Holms Selbstwahrnehmung als Auszubildender als plausibel und verweist im Interview auf die lange Ausbildungsdauer eines Offziersschülers beim MfS. Holm habe sich in einem “Ausbildungs- und nicht in einem Arbeitsverhältnis” befunden, und sich nachvollziehbarer Weise als “MfS-Azubi” verstanden.
Quellen:

Was wusste Andrej Holm über seinen Status beim MfS?

Die Kaderakten des MfS waren auch für die ehemaligen Mitarbeiter/innen geheim. Andrej Holm wusste nicht, wie das MfS ihn in den internen Kaderakten führte. In Lebensläufen und Interviews hat Andrej Holm seine fünf Monate beim MfS als eine Abfolge von Grundausbildung und Dienst in der Berliner Bezirksverwaltung dargestellt, an das sich Studium und eine spätere Tätigkeit im MfS hätte anschließen sollen. Das stimmt mit der Aktenlage überein.

Von den insgesamt fast 200 Seiten der Kaderakte hat Andrej Holm nur einen Bruchteil selbst gesehen. In den acht von ihm handschriftlich unterschriebenen Dokumenten gibt es beispielsweise sieben verschiedene Bezeichnungen seiner Dienststellung. Die Stasi war als Geheimdienst auch gegenüber den eigenen Mitarbeiter/innen konspirativ organisiert. Andrej Holm hatte keinen Einblick in die interne Aktenführung der Kaderabteilung und konnte nicht wissen, wie das MfS ihn dort führte. Die ihm bekannten Dienstbezeichnungen unterscheiden sich von der internen Aktenführung.

4.1 - Die Stasi war als Geheimdienst auch gegenüber den eigenen Mitarbeiter/innen konspirativ organisiert. Andrej Holm hatte keinen Einblick in die interne Aktenführung der Kaderabteilung. Andrej Holm hat bis zur Einsichtnahme in die über ihn geführten Kaderakten beim MfS nicht gewusst, mit welchem Status das MfS ihn dort führte. Die inzwischen veröffentlichte Akte zeigt, dass Andrej Holm während seiner Ausbildungszeit acht verschiedene Dokumente unterzeichnet hat.

In diesen gibt es sieben verschiedene Bezeichnungen für seine Stellung beim MfS:

  • „Berufsoffizier/Berufsunteroffizier“,
  • „Angestellter beim MdI“,
  • „militärischer Dienst für das MfS“,
  • „Offiziersschüler“,
  • „Angestellter MdI“,
  • „zukünftige Tätigkeit beim MdI“
  • und „Vorbereitung auf den Dienst als Offizier“.
Nach seiner Einsichtnahme in die Akten im Dezember 2016 hat er die Universität umgehend über seinen in den Kaderakten angegebenen Status als "Offiziersschüler" informiert.
Quellen:
  • Bezeichnungen seiner Tätigkeit in eigenhändig unterzeichneten Dokumenten (Die meisten Dokumente stammen aus der Zeit vor seinem Dienstbeginn am 01.09.1989). Zum Vergleich zu den von Andrej Holm unterzeichneten Dokumenten, hier die gesamte Stasi-Akte zu Andrej Holm als .pdf.

Wusste Andrej Holm, dass er keinen normalen Grundwehrdienst leistet?

Andrej Holm hat nie behauptet, dass er einen normalen Grundwehrdienst von 18 Monaten bei der NVA geleistet hat. Er hat seine militärische Grundausbildung zusammen mit sogenannten Soldaten auf Zeit abgeleistet, die sich zu einem Wehrdienst von mindestens drei Jahren verpflichtet hatten. Aus Gründen der Geheimhaltung gab es keine sichtbaren Rangunterschiede während der Ausbildung. Die Dienstbezüge von Andrej Holm als Offiziersschüler (675 Mark) unterschiedenen sich nur geringfügig von den Dienstbezügen der Wehrdienstleistenden, die sich für mindestens drei Jahre verpflichtet hatten (580 bis 630 Mark). Die Dienststellung als Offiziersschüler spielte in der Ausbildung und Dienstzeit von Andrej Holm keine Rolle und war nur den Kaderakten beim MfS zu entnehmen.

5.1 - Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk sagt im Interview mit der taz: „Jeder, der Offizier werden wollte, wusste genau, worin der Unterschied zu einem Grundwehrdienst bestand.“ Holm habe als Offiziersschüler einen Sold von 675 DDR-Mark erhalten. „Dieser Sold war vier Mal so hoch wie ihn ein normaler Soldat erhielt. Das wusste man“. Der dahinterstehende Vorwurf der Vertuschung ist nicht gerechtfertigt, denn Andrej Holm hatte nie behauptet, dass er einen normalen Grundwehrdienst geleistet hätte.
5.2 - Laut der veröffentlichten MfS-Akten erhielt Andrej Holm monatlich 675 DDR-Mark. Beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ und den diesem gleichgestellten Wach-und Sicherungseinheiten (WSE) wurden jedoch ausschließlich Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (SaZ) eingestellt, die sich für einen Wehrdienst von mindestens drei Jahren verpflichtet hatten. Mit diesen hat Andrej Holm nach eigener Aussage gemeinsam die militärische Grundausbildung absolviert. Soldaten auf Zeit (SaZ) erhielten je nach Dienstgrad seit 1986 einen Sold in der Höhe von 580 bis 630 Mark. Ein gravierender Unterschied zu den Dienstbezügen als Offiziersschüler bestand nicht.

Warum hat Andrej Holm in seinen Lebensläufen und dem Fragebogen das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ angegeben, wenn er bei einer Wach- und Sicherungseinheit (WSE) war?

Beide Einrichtungen waren militärische Einheiten des MfS mit wenigen Unterschieden. Andrej Holm hat seine militärische Grundausbildung bei einer Wach- und Sicherungseinheiten (WSE) der Bezirksverwaltung Berlin des MfS absolviert. Wegen identischer Uniformen, vergleichbarer Aufgaben, gemeinsamer Ausbildungsobjekte und der Zugehörigkeit zum MfS konnte Andrej Holm wie andere Mitarbeiter des MfS davon ausgehen, dass es sich bei der Wach- und Sicherungseinheiten (WSE) um eine Einheit des Stasi-Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ handelte.
Die Annahme, dass die Wach- und Sicherungseinheit (WSE), bei der Andrej Holm seine militärische Grundausbildung erhalten hat, eine Einheit des Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ war, ist aus der alltäglichen gemeinsamen Praxis der beiden Einheiten, ihrer ähnlichen politischen Bedeutung und organisatorischen Verflechtung nachvollziehbar.
Auch in der Aufarbeitung der Geschichte des MfS durch die BStU wird die Zugehörigkeit zu Wach- und Sicherungseinheiten einem Dienst beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ gleichgestellt.

6.1 - Das Wachregiment "Feliks Dzierzynski“ unterstand als paramilitärischer Verband unmittelbar dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS). In den Bezirksverwaltungen des MfS gab es sogenannte Wach- und Sicherungseinheiten (WSE), die mit den Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes betraut waren. Diese Wach- und Sicherungseinheiten sind strukturell aus dem Wachregiment "Feliks Dzierzynski“ hervorgegangen, erfüllten vergleichbare Aufgaben, trugen dieselben Uniformen und Waffenarten und nutzten dieselben Ausbildungsobjekte wie das Wachregiment "Feliks Dzierzynski“.
Quellen:
6.2 - Wie auch im Wachregiment wurde in den WSE die Grundausbildung von Unteroffizieren und Soldaten auf Zeit absolviert, die sich für mindestens drei Jahre verpflichtet hatten.

In einem sogenannten Ministerbefehl (Befehl 11/89) wurde noch im Sommer 1989 die Offiziersausbildung der WSE aus dem Bestand der Hochschule des MfS herausgelöst und als Offiziersschule zur Ausbildung für den militärisch-operativen Wach- und Sicherungsdienst in das Wachregiment "Feliks Dzierzynski“ eingegliedert (BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 8945). Auch darin bestätigt sich die organisatorische Nähe zwischen Wach- und Sicherungseinheiten (WSE) und dem Wachregiments "Feliks Dzierzynski“.
Quellen:
6.3 - In der Praxis der Auflösung des MfS nach der Wende und bei der Überprüfung der ehemaligen Mitarbeiter des MfS wurde eine Tätigkeit in einer WSE der Tätigkeit im Wachregiment "Feliks Dzierzynski“ gleichgestellt.
Quellen:

Hat Andrej Holm seinen Status als Offiziersschüler beim MfS im Fragebogen der HU im Jahr 2005 verschleiert?

Nein. Unabhängig von der Frage, ob Andrej Holm seinen Dienstgrad überhaupt kannte (siehe Frage 3), wurde im Fragebogen nicht nach dem Dienstgrad oder einer möglicherweise für später geplanten Karriere bei der Stasi gefragt. Für die Bewertung der Glaubwürdigkeit von Andrej Holm ist es zudem unerheblich, weil auch der Status als Offiziersschüler für die spätere Bewertung seiner Zeit bei der Stasi als Ausbildung keinen Unterschied macht.
Andrej Holm hat in dem Fragebogen und seinen Lebensläufen mit den Angaben zum Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ seine Zugehörigkeit zum MfS angegeben und nicht verschleiert oder verharmlost, wie oft kolportiert.


Als wie schwerwiegend ist Andrej Holms tatsächliche Mitarbeit beim MfS zu bewerten?

Seine Funktionen und Aufgaben bei der Stasi werden als eher harmlos und belanglos eingeschätzt. Fast alle Kritiker/innen und Unterstützer/innen gehen davon aus, dass Andrej Holms tatsächlichen Aktivitäten während seiner 5 Monate bei der Stasi als unbedeutend eingeschätzt werden können (siehe auch Punkt 2.3 im Hintergrund zur zweiten Frage). Auch laut Kriterien des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) und des Thüringer Landesbeauftragen (LstU Thüringen) werden Werdegänge wie die von Andrej Holm als „zumutbar für öffentliche Ämter“ bewertet.

8.1 - Kritiker/innen von Andrej Holm, die sich in den letzte Monaten zu Wort gemeldet haben, begründen ihre Kritik in den wenigsten Fällen mit Andrej Holms tatsächlicher Tätigkeit für das MfS. In der "Erklärung der Präsidentin der HU zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn Dr. Holm" heißt es so z.B.: "Die Kündigung beruht nicht auf der Tätigkeit von Herrn Dr. Holm für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS)."
Quellen:
8.2 - Auch in der Rechtssprechung werden jugendliches Alter und kurze Dienstzeiten bei der Bewertung der Tätigkeiten beim MfS berücksichtigt. In einem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 21. Juni 2001, 2 AZR 291/00 heißt es unter anderem:

„Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 6 des Stasi-Unterlagengesetzes vom 20.12.1991 (Bundesgesetzblatt I, Seite 2272) – StUG – erstreckt sich die Überprüfung von Personen im öffentlichen Dienst nicht auf Tätigkeiten für das MfS vor Vollendung des 18. Lebensjahres. Diese Einschränkung ist ausdrücklich in das Gesetz mit der Begründung aufgenommen worden, es sei eine Sonderregelung für „Jugendsünden“ angebracht. An dieser gesetzgeberischen Intention können die Gerichte nicht achtlos vorbeigehen. Der Kläger war zwar bei Beendigung seiner Tätigkeit für das MfS schon 20 Jahre alt. Er befand sich damit aber immerhin in einem Alter, in dem der Gesetzgeber lange Zeit noch keine Volljährigkeit angenommen hat und auch heute noch z.B. nach § 1 II JGG auf Straftaten das Erwachsenenstrafrecht nicht voll für anwendbar erklärt. Verschweigt ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter eine MfS-Tätigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres, so ist dem öffentlichen Arbeitgeber jedenfalls bei einem nicht allzu gravierenden Maß der Verstrickung eher zumutbar, auf die Falschbeantwortung mit milderen Mitteln als mit einer fristlosen Kündigung – etwa mit einer Abmahnung oder mit einer ordentlichen Kündigung – zu reagieren, als wenn es sich um eine Tätigkeit für das MfS handelt, die unter keinen Umständen mehr als „Jugendsünde“ abgetan werden kann.“

8.3 - Der für die BStU tätige DDR-Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk beschreibt Andrej Holm in einem Artikel in der Wochenzeitung der Freitag - in Anbetracht seiner frühen Anwerbung noch als Kind - zunächst als "ein Opfer der Umstände: des Staates und der Eltern."
Dass Holm diese in so jungem Alter getroffene Entscheidungen 27 Jahre später noch nachhänge, sei "nicht gerecht". In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 15.1.17, nach Holms Entlassung als Staatssekretär, bedauert er diese als einen Verlust für die DDR-Aufarbeitung. Holm sei kein Verbrecher, sondern stehe für die Widersprüchlichkeit vieler DDR-Biografien. Er glaube nicht, dass Andrej Holm während seiner Stasimitarbeit im Herbst 1989 als "kleines Rädchen im Getriebe" etwas "von Belang" habe machen können.
Quellen:
8.4 - Jürgen Haschke (Landesbeauftragter des Freistaates Thüringen) benennt in den "Empfehlungen zur Verfahrensweise bei Personalüberprüfungen: Umgang mit den Auskünften des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" eine Reihe von Kriterien, die Anstellungen einer Person trotz erwiesener Stasimitarbeit in einem öffentlichen Amt "zumutbar" machen. Auf Andrej Holm treffen mindestens zwei der dort benannten Zumutbarkeitskriterien zu:

  • (2) "die Tätigkeit wurde erst im Jahre 1989 unmittelbar nach Schulabschluß aufgenommen"
  • (4) "die Tätigkeit erfolgte nur kurzfristig und vor langer Zeit, dies jedoch nur unter inhaltlicher Berücksichtigung der erfolgten Zusammenarbeit."

Quellen:
  • Jürgen Haschke, Empfehlungen zur Verfahrensweise bei Personalüberprüfungen als .pdf , aus Horch und Guck - HEFT 13/1994

8.5 - Ehemalige Bürgerkomitee-Mitglieder und Stasiaufarbeiter aus Berlin und Dresden, die 1990 an der Installation eines Sonder- und dann Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen per Gesetz beteiligt waren, stuften Offiziersschüler mit Andrej Holms Status als "eher harmlos" (W. Pröhl) oder "belanglos" (P.Neumann) ein. Man hätte Leuten wie Holm maximal für eine "angemessene Zeit von Leitungsfunktionen abgeraten", so Neumann im Tagesspiegel.
Quellen:
8.6 - Eine Reihe von Anwälten hat sich im Zuge der Debatte um Andrej Holms Angaben im Fragebogen und deren arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu Wort gemeldet. Sie halten Andrej Holms Stasi-"Belastung" für schon zum Zeitpunkt seiner HU-Einstellung 2005 verjährt. Inzwischen, im Jahr 2017, seien selbst Tilgungsfristen für Schwerverbrechen wie sexueller Mißbrauch überschritten.

8.7 - Dafür, dass Andrej Holms Stasimitarbeit ihn im Jahr 2017 immer noch für öffentliche Ämter disqualifiziere, sprechen sich trotz seines damaligen Alters, seiner kurzen Dienstdauer und der seither vergangenen Zeit unter anderem Vera Lengsfeld, Philipp Lengsfeld und der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe aus. Diese Haltung wird vom Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk als "Einmal Stasi - immer Stasi" bewertet.
Quellen:

Konnten der Fragebogen und die Nichttätigkeitserklärung im Jahr 2005 überhaupt noch im Sinne ihres ursprünglichen Anliegens verwendet werden?

Der noch heute verwendete Fragebogen/Erklärung zur Nichttätigkeit wurde 1990 entwickelt und ausschließlich in Zuge einer umfassenden Prüfung und im Abgleich mit der tatsächlichen Belastung der Ausfüllenden ausgewertet. Fälle wie die Andrej Holms wären damals als unerheblich eingestuft worden. In der Presse und von anderen Stellen werden Andrej Holms Angaben heute aber pauschal und unabhängig von seiner tatsächlichen Tätigkeit als hinreichender Kündigungsgrund gewertet – und dass, obwohl der Fragebogen in seiner heutigen Verwendung von seinen Erfindern als “nicht mehr zeitgemäß” bewertet worden ist. Rechtsanwälte halten seine vermeintlich inkorrekten Angaben auch, u.a. aus Gründen der Verjährung, für arbeitsrechtlich irrelevant.

Der Fragebogen ist nicht mehr zeitgemäß und folglich ungeeignet, die Zumutbarkeit für den öffentlichen Dienst zu prüfen.

9.1 - Der in der Öffentlichkeit zur Diskussion stehende Personalbogen Andrej Holms mit Angaben zu seiner Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit besteht aus zwei Teilen.

In der Öffentlichkeit wird häufig von "dem Personalfragebogen" gesprochen. Tatsächlich handelt es sich aber um den zweiseitigen Zusatzfragebogen zum Personalblatt (Fin 542) und die einseitige Erklärung Nichttätigkeit MfS-AfNS (Fin 547). Beide Formulare sind Teil eines Standardprozederes zur Überprüfung der Einstellung von Lehrkräften im Land Berlin und sie sind unter anderem auf der Seite der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zu finden. Der Wortlaut des Fragebogens und der Nichttätigkeits-Erklärung ist seit ihrer Entstehung 1990 nicht verändert oder angepasst worden.
Quellen:
9.2 - Beide Dokumente sind in der historischen Situation des Umbruchs in der DDR und der Wiedervereinigung entstanden. Um zu verhindern, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter unbesehen in den Gesamt-Berliner öffentlichen Dienst übernommen werden, wurde 1990/91 eine Kommission aus ehemaligen Bürgerrechtlern eingesetzt, um Personen in Einzelgesprächen zu ihrer Mitarbeit zu befragen und ihre tatsächliche Belastung einzuschätzen. Um diesen Gesprächen zu einer einheitlicheren Bewertungsgrundlage zu verhelfen, wurde der Fragebogen entwickelt.

Für den Fall, das Personen ihre Stasimitarbeit vertuschen wollten, wurde so auch eine “Einstellungslüge” konstruiert, anhand derer diese Personen juristisch belangt werden sollten. Widersprüchliche Angaben, wie die von Andrej Holm, wären in einem Gespräch behandelt worden. Jegliche Angaben, ob objektiv falsch oder richtig, wären aber ausschließlich im Zusammenhang mit der tatsächlichen Belastung (z.B. Dienstgrad, Dauer des Dienstes, tatsächliche Aufgaben, etc.) bewertet worden. Laut Einschätzungen von Experten wäre Andrej Holm mit seinem Hintergrund als unbelastet durchgewunken worden. Widersprüchliche oder objektiv unrichtige Angaben in den Dokumenten hätten in keinem Falle schwerer gewogen, als die tatsächliche Belastung des Betreffenden.
Quellen:
9.3 - Im Jahr 2005 wurde der Fragebogen ohne individuelle Gespräche verwendet. Es lag ihm weder eine Ausfüllhilfe bei, noch war den Ausfüllenden klar, wie und auf welcher Grundlage ihre Angaben bewertet werden würden. Bürgerrechtler, die an der Auflösung der Stasi, bzw. der Erstellung des bis heute genutzten Fragebogens beteiligt waren, halten diesen für eine Überprüfung der damaligen Stasi-Mitarbeit für „nicht mehr zeitgemäß“. In der Bewertung von Andrej Holms Fall wurden jedoch in der Presse ebenso wie in der Begründung der Entlassung Holms durch HU-Präsidentin Kunst - entgegen der ursprünglichen Praxis - die objektiv fehlerhaften Angaben im Fragebogen unabhängig von Andrej Holms tatsächlicher Belastung zum Maß der Bewertung gemacht.
Quellen:
9.4 - Verschiedene Rechtsanwälte haben die Meinung geäußert, dass eine Falschangabe im Fragebogen/ der Erklärung im Jahr 2005 keine arbeitsrechtliche Relevanz mehr habe. Rechtsanwalt Johannes Eisenberg argumentiert in der taz anhand gesetzlicher Verjährungsfristen, dass die Humboldt Universität Andrej Holm im Jahr 2005 nicht mehr nach seiner Stasitätigkeit in den Jahren 1989/90 hätte fragen dürfen. Selbst ein Tötungsverbrechen sei nach dem auf Andrej Holm anzuwendenden Jugendstrafrecht nach einem solchen Zeitraum bereits aus dem Strafregister getilgt gewesen und hätte nicht mehr angegeben werden müssen. Zudem habe seine 15 Jahre zurückliegende Stasimitarbeit keinerlei Relevanz für seine Eignung für ein wissenschaftliches Anstellungsverhältnis an der HU.

Auch die Fachanwälte für Arbeitsrecht Ziegenhagen argumentieren in einem Statement auf ihrer Website, dass nur falsche Angaben über verkehrswesentliche Eigenschaften ein Kündigungsgrund seien. Andrej Holms Angaben fielen nicht in diese Kategorie. Ebenfalls habe keine Gefahr bestanden, dass es auf der Arbeit zu einer Wiederholung der Straftat kommt. Auch sie führen die gesetzlichen Tilgungsfristen von Vorstrafen an, die im Falle Holm nach 15 Jahren überschritten waren. Sie zitieren eine Reihe von Gerichtsurteilen, in denen Kündigungen aufgrund von Falschangaben - anhand der Schwere der Stasi-Belastung, deren Relevanz für das Arbeitsverhältnis und deren Verjährung - im Sinne der Betroffenen entkräftet wurden. Die Rechtsanwälte gehen davon aus, dass die Entlassung Holms durch Präsidentin Kunst gerichtlich nicht zu halten gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht Potsdam urteilte im Jahr 2017 ebenfalls im Sinne eines hochrangigen Landesbediensteten in Brandenburg, der im Jahr 1991 und noch einmal im Jahr 2016 falsche Angaben zu seiner IM-Tätigkeit gemacht hatte - und zog zur Urteilsfindung die tatsächlichen Tätigkeiten des Betroffenen für das MfS und die Verdienste für seinen Arbeitgeber ab seiner Einstellung 1991 heran.
Quellen:

Woher kommt die häufig wiederholte Behauptung, Andrej Holm habe sich auf „Erinnerungslücken“ berufen? Hat sich Andrej Holm nur „scheibchenweise“ erinnert?

Den Begriff der „Erinnerungslücken“ hat Andrej Holm selbst nie benutzt – er taucht als Überschrift in einer dpa-Meldung zur Pressekonferenz am 14. Dezember 2016 das erste Mal auf und wird seither von der Presse und auch der Politik vielfach aufgegriffen. Andrej Holm hat seine Zeit bei der Stasi und auch seinen dort geplanten Ausbildungsweg nicht verschwiegen und 2007 in einem taz-Interview auch presseöffentlich gemacht. Ein Abgleich von Andrej Holms Stellungnahmen (2007, 2016) mit den veröffentlichten Akten und Recherchen zeigt, dass er mit allen wesentlichen Details seiner Zeit beim MfS offen und wahrheitsgemäß umgegangen ist.

Unterschiede gibt es lediglich bei Details, zu Daten und bei Dienstbezeichnungen (vgl. auch Frage 4 und die Frage 5 zum Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ und Frage 3 zum Status als Offiziersschüler). Der Vorwurf, „seine Vergangenheit habe man scheibchenweise kennengelernt“, entspricht daher nicht den Fakten.

10.1 - Den Begriff der „Erinnerungslücken“ hat Andrej Holm selbst nie benutzt – er taucht als Überschrift in einer dpa-Meldung zur Pressekonferenz am 14. Dezember 2016 das erste Mal auf und wurde seither von der Presse und auch der Politik vielfach aufgegriffen.
10.2 - Ein Abgleich von Andrej Holms Stellungnahmen (2007, 2016) mit den veröffentlichten Akten und Recherchen zeigt, dass er mit allen wesentlichen Details seiner Zeit beim MfS offen und wahrheitsgemäß umgegangen ist. Die veröffentlichten Akten bestätigen Andrej Holms Darstellungen seiner Zeit bei der Stasi (grün und kursiv markiert). Abweichungen (rot und unterstrichen markiert) und eine Ergänzung (blau und fett markiert) gibt es lediglich bei einigen Daten und Diensteinheiten sowie seinem Dienstgrad als Offiziersschüler (vgl. dazu auch Frage 3 und Frage 7).
Quelle: Stasi-Akten über Andrej Holm (veröffentlicht am 13.12.2016) Quelle: Andrej Holm (2007 und 10.12.2016)
Bereitschaftsserklärung im Alter von 14 Jahren (1985) „Als ich im Alter von 16 Jahren von Kollegen meines Vaters für eine langfristige Verpflichtung im Ministerium für Staatssicherheit geworben wurde“ (10.12.2016)
Einstellung als Offiziersschüler „Meine Tätigkeit unterschied sich vom reinen Wehrdienst aber dadurch, dass ich später für die Staatssicherheit arbeiten wollte. (2007) . Keine Nennung des Dienstgrads. (vgl. dazu auch Frage 3 und Frage 7)
Dienst in der Bezirksverwaltung Berlin (bei der Abteilung AKG) „Ich habe zunächst eine Grundausbildung gemacht und kam dann zu einer Abteilung in der Berliner Bezirksverwaltung. Die hat sich Auswertungs- und Kontrollgruppe genannt“ (2007)
Militärische Grundausbildung bei der Wach- und Sicherungseinheit der BV Berlin (S. 61) Militärische Grundausbildung beim Wachregiment „Felix Dzierzynski“ (2007, 10.12.2016)
Verpflichtung zum Dienst im militärischen Beruf

Aus einem von Andrej Holm unterschriebenen Dokument vom 1. September 1989 geht hervor, dass er sich verpflichtet „im Ministerium für Staatssicherheit Dienst im militärischen Beruf zu leisten“.

Ein Beginn und das Ende dieses Dienstes im militärischen Beruf geht aus der Verpflichtungserklärung nicht hervor.
„später für die Staatssicherheit arbeiten wollte“ (2007)

„eine langfristige Verpflichtung im Ministerium für Staatssicherheit“ (10.12.2016)
Delegierung zum Studium der Journalistik für das Studienjahr 1991/92 an der Karl-Marx-Universität in Leipzig (S. 75) „Meine Gegenforderung war, dass ich dafür ein ziviles Studium bekomme, um nicht an der Staatssicherheitshochschule ausgebildet zu werden“ (2007)

„Nach einer Grundausbildung war ein ziviles Studium der Journalistik für mich vorgesehen“ (10.12.2016)
Geplantes Volontariat bei der Tageszeitung Junge Welt ab September 1990 Das für mich eingeplante Volontariat bei der Tageszeitung ‚Junge Welt’(10.12.2016)
Dienstende am 31.01.1990 Dienstende am 15. Februar 1990 (10.12.2016)
Quellen:
10.3 - Der Begriff „Erinnerungslücken“ ist problematisch, weil er nicht berücksichtigt, dass nicht nur die biografische Darstellung durch Andrej Holm selbst, sondern auch die Kaderakte über Andrej Holm eine Quelle ist, an die historisch kontextualisierend heranzugehen ist.
Quellen:

In der Presse und in der Entlassungsforderung des Regierenden Bürgermeister Michael Müller wird Andrej Holms Umgang mit seiner Vergangenheit kritisiert. Hat Andrej Holm es versäumt, um Entschuldigung zu bitten und sich von der Stasi zu distanzieren?

Nein. Andrej Holm ist in der Öffentlichkeit nicht nur offen mit seiner Stasi-Vergangenheit umgegangen, sondern hat sich mehrfach deutlich von Unrecht und Repression in der DDR distanziert. Er hat sich zu seiner persönlichen Verantwortung bekannt und auch explizit diejenigen, denen in der DDR Leid zugefügt wurde, um Verzeihung gebeten. Bereits im taz-Interview von 2007 distanzierte er sich von seiner Tätigkeit bei der Stasi im Wendeherbst. Später beschrieb er die Stasi als „Teil des Repressions- und Unrechtsapparates“ und machte deutlich, dass er ohne die Wende in Situationen geraten wäre, in denen er Schuld auf sich geladen hätte.

In den meisten Artikeln wird gefordert, Andrej Holm hätte "offen" mit seiner Vergangenheit umgehen und "sich distanzieren" müssen. Was nach Ansicht der Kritiker ein angemessener Umgang mit einer Stasi-Vergangenheit wie der von Andrej Holm wäre, wird äußerst selten tatsächlich ausgeführt. Folgendes hat Andrej Holm seit 1990 unter anderem in dieser Hinsicht getan:
taz-Interview 2007

Bereits 2007 in einem taz-Interview distanzierte Andrej Holm sich von seiner Entscheidung für eine Laufbahn beim MfS: „Die Reflexion darüber, was Staatssicherheit tatsächlich war, die begann bei mir erst nach der Wende. Seitdem habe ich da auch einen anderen Blick darauf.“. Er machte deutlich, dass er ohne die Wende in Situationen geraten wäre, in der Schuld auf sich geladen hätte.
Quellen:
Rede auf dem Landesparteitag der Partei die LINKE 2016

In seiner Rede auf dem Landesparteitag am 10.12.2016 distanziert sich Andrej Holm klar von seiner Entscheidung, zum MfS zu gehen:

“Ich war in der DDR Teil des Repressions- und Unrechtsapparates, habe aber im fehlenden Mut zum ‚Nein‘ selbst den Druck eines autoritären Systems gespürt. Meine persönliche Schlussfolgerung aus meiner Biographie ist die feste Überzeugung, dass eine freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft allen anderen vorzuziehen ist.“

Quelle:
Interview gegenüber ZeitOnline

In einem Interview gegenüber ZeitOnline am 23. Dezember 2016 gibt Andrej Holm ausführlich Auskunft über seine Jugendzeit und die Entscheidung, eine Bereitschaftserklärung für die Stasi zu unterschreiben. Auch in diesem Gespräch distanziert er sich eindeutig von seinen Entscheidungen als Jugendlicher und zeigt auch Verständnis für die aktuellen Diskussionen:

„Ja, sie (die Stasi) war Teil eines Unrechtssystems und ein zentrales Instrument, um Leid über viele Leute zu bringen. Unabhängig davon, dass ich selbst zu kurz dabei war, um jemandem richtig zu schaden, ist das eine Verantwortung, die ich auch spüre. Ich wäre, wenn die DDR nicht zusammengebrochen wäre, mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit in die Situation gekommen, Teil von diesem Unterdrückungssystem zu werden. Ich verstehe also, wenn gerade die, die zu DDR-Zeiten verfolgt wurden, heute sagen: Über diese Personalie wollen wir reden.“

Quellen:
Stellungnahme vom 12. Januar 2017

In einer Erklärung vom 12. Januar 2017 (also vor der Entlassungsforderung von Michael Müller am 14.01.2017) nimmt Andrej Holm nochmals öffentlich zu den Vorwürfen Stellung und bittet ganz explizit um Verzeihung bei denen, die von der Stasi verfolgt und überwacht wurden:

„Mir war bewusst, dass dies mit der Entscheidung für ein öffentliches Amt zu Diskussion führen wird. Ich stelle mich dieser Diskussion und wenn dabei in den letzten Wochen durch unsensible Wortwahl oder unangebrachte Vergleiche, insbesondere bei den Opfern des Repressionsapparates der DDR der Eindruck entstanden sein sollte, ich wolle erlittenes Unrecht relativieren, so möchte ich hier klarstellen: Das lag nicht im Entferntesten in meiner Absicht und ich möchte mich dafür entschuldigen. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meiner als 18jähriger gefällten Entscheidung für eine Laufbahn beim Ministerium für Staatssicherheit Teil eines Repressionsapparates war und damit strukturell Verantwortung für die Überwachung und Repression in der DDR übernehmen muss. Diese historische Schuld nehme ich auf mich und bitte insbesondere diejenigen, denen in der DDR Leid zugeführt wurde, um Verzeihung. Ich habe großen Respekt vor all jenen, die in der DDR einen unangepassten Weg gingen. Ich habe für mich aus der Wendezeit die Lehre gezogen, fortan den Mut zu finden, selbst auch kritisch und unangepasst zu sein.“

Quellen:

Primärquellen und Dokumente


Der „Fragebogen“:
Der in der Öffentlichkeit zur Diskussion stehende Personalbogen Andrej Holms besteht aus zwei Teilen, dem Zusatzfragebogen zum Personalblatt (Fin 542) und der einseitigen Erklärung Nichttätigkeit MfS-AfNS (Fin 547).

Der in der Öffentlichkeit zur Diskussion stehende Personalbogen besteht aus dem zweiseitigen Zusatzfragebogen zum Personalblatt (Fin 542) und der einseitigen Erklärung Nichttätigkeit MfS-AfNS (Fin 547).

Dem standardisierten Zusatzfragebogen zum Personalblatt sind zudem im Normalfall die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 angehängt.

Beide Formulare sind Teil eines Standardprozederes zur Überprüfung der Einstellung von Lehrkräften im Land Berlin. Die beiden Formulare sind unter anderem auf der Seite der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft zu finden. Nicht dort zu finden ist aber eine Ausfüllhilfe oder ähnliche Erläuterungen zu den angesprochenen beiden Formularen. Ob eine solche existiert oder je existiert hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
zusatzfragebogen_ausschnitt

Ausschnitt aus dem Zusatzfragebogen Fin542



Andrej Holms Antworten

Sind Sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/für das Amt für nationale Sicherheit oder für eine der Untergliederungen dieser Ämter oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen?

Holms Antwort: nein

Falls ja, in welcher Weise/Funktion?

Holms Antwort: Siehe Wehrdienst

Haben Sie finanzielle Zuwendungen von einer der genannten Stellen erhalten?

Holms Antwort: nein

Haben Sie eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit einer der genannten Stellen unterschrieben?

Holms Antwort: nein

Haben Sie Ihren Wehrdienst bei einer der genannten Stellen abgeleistet?

Holms Antwort: ja

Falls ja, nähere Angaben über Zeitraum, Funktion, örtlichen Einsatz, Aufgaben:

"Grundausbildung bei Wachregiment "Filix Dzerzinski" in Berlin, vom 01.09.1989 bis zum 14.02.1990"


Akte(n):

  • Stasi-Akte über Andrej Holm – lange Variante als .pdf veröffentlicht von der Robert Havemann Gesellschaft e.V. am 13.12.2016
  • Stasi-Akte über Andrej Holm – kurze Variante als .pdf veröffentlicht von der B.Z am 12.12.2016 (mit Datum des Kopienstempels von Nov. 2006 )

Aussagen zur Biografie:


Links:

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Audio: Umgang von Robert Ide mit dem ‚Fall Holm‘ im Tagesspiegel – Podiumsdiskussion mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation) // 23.01.2017

Hier findet ihr den Mitschnitt einer Diskussion im besetzten Institut für Sozialwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation) am 23. Januar 2017.

Podiumsdiskussion mit Ulf Kadritzke, Robert Ide und Daniel Kubiak (Moderation)


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Bemerkungen zum Umgang von Robert Ide mit dem ‚Fall Holm‘ im Tagesspiegel // Ulf Kadritzke // telegraph vom 19.01.2017

Zuerst erschienen am 19.01.2017 im telegraph

Von Ulf Kadritzke

Vorbemerkung: Im Gegensatz zu der um Differenzierung bemühten Berichterstattung im Wissenschaftsteil des Tagesspiegels und zu dem politisch wie menschlich einfühlsamen „Einspruch“ von David Ensikat (vom 21. Dezember 2016) hat Robert Ide über den ‚Fall Holm‘ auf eine Weise und in einer Sprache geschrieben, die den Tagesspiegel nicht nur – was kaum verwundert – politisch eindeutig ausweist, sondern auch journalistisch beschädigt. Im folgenden begründe ich dieses Urteil anhand einiger Artikel, ohne über das zugrunde liegende Mischungsverhältnis von journalistischer Aufklärungs- und politischer Interventionslust unangemessen zu spekulieren.

I. Vorgeschichte: Signale von Rot-Rot-Grün für eine neue Wohnungs- und Mietenpolitik und die öffentlichen Reaktionen
Den interessenpolitischen Hintergrund des Falles Holm beleuchtet zunächst in aller Offenheit Antje Sirleschtov in ihrem Tagesspiegel-Kommentar vom 12.12.2016. Er enthält sowohl (durchaus bedenkenswerte) pragmatische als auch gesellschaftspolitische Argumente, die sich übergreifend am Leitbild der Marktwirtschaft und wohnungspolitisch an den Interessen der Besitzenden und Investoren orientieren: Ein wichtiges Erfolgskriterium für den Job als Wohnungsstaatssekretär in Berlin sei „auch die Fähigkeit, Politik in Wirklichkeit überführen zu können. Beides jedoch – parteipolitische Verankerung und Erfahrung in der Führung einer Verwaltung – bringt Andrej Holm nicht mit. Ein Gentrifizierungskritiker, ein linker Aktivist, ein Wissenschaftler ist er. Einer, der Hausbesetzung als effektives Mittel zur Schaffung von Sozialwohnungen preist, leerstehende Wohnungen zwangsbelegen will und mit umfangreichen Steuersubventionsprogrammen eine baupolitische Richtung unterstützt, die in der SPD kritisiert und in der Wohnungswirtschaft zu munteren Kontroversen führen wird. Hier liegt die Gefahr seiner Ernennung und nicht in seiner Stasi-Vergangenheit.

Problem: Derartige Zweifel sind der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in der ‚Mieterstadt‘ Berlin nicht so recht schmackhaft zu machen. Als weit hilfreicher erweist sich demgegenüber der Rückgriff auf die Vergangenheit des designierten Staatssekretärs. Robert Ide geht einen Tag später (am 13.12.2016) den Fall von dieser, mehr Erfolg versprechenden Seite an, zumal die Person des Kandidaten dieser Diskussion Nahrung bietet; auch wird rasch offenbar, dass sich niemand in der neuen Koalitionsregierung auf die abzusehende Auseinandersetzung vorbereitet hat.
Der Redakteur des Tagesspiegels wohl. Unter der Überschrift „Berlins neuer Staatssekretär und die Stasi“ springt Robert Ide in die politische Bresche und verknüpft Vergangenheit und Gegenwart des designierte Staatssekretärs auf eine intellektuell abenteuerliche, suggestive, vor allem aber wirksame Weise. Zur Person behauptet er vorab: „Anders als bei vielen anderen Ostdeutschen kommt es bei Holm nicht zur biografischen Wende. Holm, der mit dem Zusammenbruch seines Staates auch seine Arbeit los ist, findet Halt im linken Berliner Milieu.“
Diese ideologische Konstruktion einer vorgeblichen Kontinuität wird 1:1 auf die Biographie von Holm angewandt – ein Verfahren, das gegenüber den Karrieren vieler alter ‚Blockflöten‘ in den westlichen Parteien nach 1989 weit seltener zum Zuge kam. Das liest sich dann so:
„Antikapitalistisch – diese Haltung war zu Mauerzeiten staatstragend im Osten, subversiv im Westen. Für einen wie Holm, den die Zeitläufte von Hier ins Dort schleudern, erlaubt das die Fortschreibung der eigenen Biografie mit Überzeugung.

Die These von der bloßen „Fortschreibung der eigenen Biographie“ mit der alten „Überzeugung“ ist einerseits (nimmt man auch nur das taz-Interview mit Holm vom 14.12.2007 zur Kenntnis) schlicht falsch, andererseits bestens geeignet, Holms seit langem bekanntes gesellschaftspolitisches und wissenschaftliches Engagement in der vereinigten Bundesrepublik in Misskredit zu bringen. Welche schlichten, aus dem historischen Kontext gerissene Argumente und politischen Reflexe in dieser Absicht bedient werden, führt Ide vor, wenn er eine stärkere gesellschaftliche Kontrolle und soziale Ausrichtung der Wohnungspolitik in die Nähe von Stasi-Überwachungsmethoden rückt und mit dieser willkürlichen Verknüpfung zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen versucht. Wie geschieht das? Zunächst scheint es ihm nur um die Mietenpolitik und ihre Erfolgschancen zu gehen:
„Sind von Holm also die Zwangsbelegung von Wohnungen und andere Eingriffe ins Eigentum zu erwarten? Soweit die staatlichen Mittel es tragen: Ein „gut aufgestelltes Wohnungsamt“ könne klare Signale an ‚rein renditeorientierte Investoren‘ senden, sagte er mal bei einer Veranstaltung der Linken, nämlich dass ‚in Berlin zu investieren heißt, ein Risiko einzugehen.‘ Werkzeuge dazu haben die Verwaltungen: Das Vorkaufsrecht auf Wohnhäuser, die Regulierung von Sanierungsumfang und Miethöhe in Milieuschutzgebieten sowie die Gesetzgebung gegen die Zweckentfremdung.“
Aber die dann ins Spiel gebrachte politische Vergangenheit des designierten Staatssekretärs als Jugendlicher nutzt Ide, um die angekündigte Wohnungspolitik mit der Person zu verrechnen und sie als vermeintlich schlüssige, der Demokratie abträgliche Fortsetzung des Holmschen Wirkens auf einem neuen Feld zu diskreditieren. Der Zusammenhang ist perfide konstruiert, schafft Raum für mannigfache Assoziationen und liest sich so:
„Wenn nur genügend offizielle und inoffizielle Mitarbeiter zum verschärften Überwachen und Strafen bereit stehen, könnte so mancher in der Ferienwohnungsindustrie bald aufheulen.“
Erst mit diesem direkt auf die Person Holm zielenden, auf die Kraft des Verdachts setzenden Artikel vom 13.12.2016 verhilft Robert Ide dem wohnungspolitischen Kommentar seiner Kollegin Sirleschtov vom 12.12. 2016 zu der Wirkung, die den Interessen der privatwirtschaftlichen Investoren auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht abträglich sein dürfte. Ide ist den ‚Fall Holm‘ von der einzig erfolgversprechenden Seite her angegangen, die dann im weiteren Verlauf den politischen Diskurs und die Entscheidungsabläufe bestimmen wird.

II. Robert Ides Umgang mit Holm im Kontext der Regierungsbildung
Das damit eröffnete publizistische Kampffeld bearbeitet Ide in der Zeit nach der Ernennung Holms zum Staatssekretär weiter, mit wachsender Intensität. Einige Artikel stechen in Inhalt und Wirksamkeit besonders hervor und seien im folgenden kommentiert.

1) Erhellend und interessant ist ein Vergleich zwischen zwei Versionen der Berichterstattung über das Streitgespräch zwischen Holm und dem Zeithistoriker Kowalzcuk vom 6.1.2017. Der erste Online-Bericht von Robert Ide vom 6.1.2017 (digital um 20:22) unterscheidet sich erheblich von der Druckfassung seines Artikels im Tagesspiegel vom 7.1.2017 (digital um 9:29).

1a) Im ersten Online-Bericht vom 6.1.2017 diente als Überschrift das Holm-Zitat:
„Ich war Teil eines Unterdrückungsapparats“.


Im Text selbst wird Holm eingangs mit den zwei Sätzen zitiert:
„Ich bin mir heute bewusst, dass ich Teil eines Unterdrückungsapparats war“,
und:
„Ich weiß, dass die Debatte für die Opfer des Systems schwer erträglich ist.“

1b) Diese beiden Sätze kommen im zweiten Bericht (7.1.2017, 9:29) und im gedruckten Tagesspiegel vom 7.1.2017 gar nicht mehr vor. Als politisch ‚einstimmende‘ Überschrift dient nun ein anderer, in der abendlichen Veranstaltung auch kritisch diskutierter Satz von Holm:
„Man erinnert sich an das, an was man sich erinnert.“
Damit setzt Ide in seinem zweitem, dann gedruckten Artikel von vorneherein einen anderen Akzent. Seine Wiedergabe der inhaltlichen Diskussion beginnt nicht etwa mit den in der Erstfassung zitierten, selbstkritischen Zitaten von Holm, sondern mit einer grobschlächtig abwertenden, subjektiven Darstellung des Geschehens. Sie kommt als Selbstentlarvung von Holms ‚eigentlichem‘ Charakter daher, in Wahrheit jedoch einer Vorverurteilung gleich:
„Holm, mit Sakko und offenem Hemd, ging den Abend in relativ lockerem Plauderton an. Zum Einstieg bezeichnete er die Debatte um seine Person und auch den Diskussionsabend selbst als ‚interessante Erinnerungsarbeit’“.

Kommentar: Es bleibt unerfindlich, was an den beiden noch in der ersten Internet-Version zitierten Aussagen, aber auch, was an dem in der zweiten Fassung zitierten Satz von Holm im ‚Plauderton‘ gehalten sein soll.

2) Auffällig ist auch Ides im ersten Artikel schon geäußerter, im zweiten Artikel (7.1.2017, 9:29) wiederholter selbstbezüglicher Journalistenstolz auf die ‚krisenauslösende‘ Rolle des Tagesspiegels:
„Nachdem der Tagesspiegel diesen Umstand (d.h. Holms falsche Angabe in der HU-Akte) öffentlich gemacht hatte, provozierte die Geschichte den ersten Koalitionskrach …“.

Kommentar: Hier ist die Regel, dass man sorgfältig recherchieren und im Erfolgsfall die öffentliche Wirkung schweigend genießen sollte, grob missachtet.

3) In dem zweiten, im Ton gegenüber Holm deutlich verschärften Druckartikel (7.1.2017, 9:29) fällt auf:

3a) Ide hebt an dem Beitrag des Historiker Kowalczuk vor allem dessen Schlussfolgerung heraus, „… bei der Stasi-Bezirksverwaltung habe Holm sicher nicht nur Betriebsberichte verfasst, sondern auch Spitzelberichte lesen müssen.“
(Diese These wird in einem späteren Artikel (am 16.1.2017) weiter ausgebaut und verschärft, s.u..)
Demgegenüber ist Ide das Urteil, das der Historiker Kowalczuk in der fraglichen Diskussion zum Ausdruck brachte: ein Staatssekretär Holm sei eigentlich auszuhalten, nicht einmal eine Randbemerkung wert.

3b) Im weiteren betreibt Ide die scheinpsychologische Beschreibung von Holm als eines kühlen Heuchlers, der schließlich nervös wird:

„Als die Debatte des Abends nach einer guten Stunde damit um den entscheidenden Punkt auch der gesamten öffentlichen Debatte kreiste, die Glaubwürdigkeit von Holm, zeigte der hartnäckig Befragte durchaus Nerven.

Kommentar: Das „durchaus“ suggeriert: Einer wie Holm ist normalerweise kaltblütig, aber jetzt zeigt er erstmals „durchaus Nerven.“ Im übrigen unterschlägt Ide in seinem Bericht, dass er selbst zu den „hartnäckig Fragenden“ gehörte und insofern hier seine Rolle als Fragender mit der des Berichterstatters vermischte.

3c) Eine weitere grobe Stichelei von Ide:
„Holm beruft sich in Bezug auf seine falschen Angaben auf Erinnerungslücken. Doch aus seiner für Medien freigegeben Stasi-Akte, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass Holm auch an einer Schulung für seine Offizierslaufbahn teilgenommen hat …“

Kommentar: Dieses „doch“ ist sprachlogisch irrig, denn eigentlich müsste es etwa heißen: „Das (nämlich die Erinnerungslücke) gilt auch für die Aussagen in der dem Tagesspiegel vorliegenden Stasi-Akte….“. Das eingefügte „doch“ erfüllt hingegen lediglich den Zweck, die Glaubwürdigkeit von Holm durch einen scheinbar weiteren Widerspruch in Frage zu stellen – und sei es durch einen vom berichtenden Journalisten selbst produzierten.

III. Die weitere Demontage von Holm nach dessen Rückritt…
vollzieht sich in zwei Tagesspiegel-Artikeln vom 16.1.2017 (von Hackenbruch/Ide, digital um 14:18, von Ide allein um 21:51), deren Zitate im folgenden mit Kommentaren versehen sind.

4) Am 16.1.2017 (14:18) und in der Druckausgabe vom 17.1. 2017 fallen folgende Passagen auf:

4a) Die Überschrift zum Bericht über Holms Rücktrittserklärung begnügt sich nicht mit der Auskunft über das aktuellen Ereignis, sondern lautet streng parteilich:
„Andrej Holm tritt zurück und sieht die Schuld bei anderen.“

Kommentar: Das liest man so bei anderen Rücktritte eher selten.

4b) Der Bericht greift nochmals die vermutete Verschleierungsstrategie von Holm auf:
„… erst weitere von der Stasi-Akten-Behörde freigegebene Unterlagen zeigten zuletzt, dass Holm bereits einen Schulungskurs für seine Offizierslaufbahn absolviert hatte; dass er also wusste, auf welche Karriere er sich da einließ.

Kommentar: Der Hinweis auf diesen ‚Beweis‘ soll suggerieren: Holm wusste es, aber er verschleierte es die ganze Zeit über. Der Satz unterschlägt, dass Holm schon am 14.12.2007, also ca. zwei Jahre nach der falschen Angabe gegenüber der HU, in einem taz-Gespräch äußerte:
„Ich hatte damit ein unreflektiertes oder wie man damals gesagt hätte, klassenbewusstes Verhältnis zur Staatssicherheit. Deshalb hatte ich mich dafür entschieden, dort selber eine längerfristige Laufbahn einzuschlagen. Im Nachhinein bin ich extrem froh darüber, dass mir die Wende diese Zeit erheblich verkürzt hat.“

4c) In ihrem Bericht bauen Hackenbruch und Ide – hier ohne Quellenangaben, tatsächlich jedoch im Rückgriff auf eine Vermutung von Kowalczuk, die dieser schon am 6.1. im Streitgespräch geäußert hatte – den Verdacht über Holms Tätigkeit als 19-Jähriger weiter aus:
„Und es gab Gerüchte, Holm habe doch nicht nur in einer Stasi-Schreibstube gesessen, sondern sei im stürmischen Wendeherbst auch selbst in Betriebe und möglicherweise noch zu anderen oppositionellen Brennpunkten geschickt worden, um eigenhändig Berichte zu schreiben.

Kommentar: Der Hinweis auf „Gerüchte“ suggeriert weitere Quellen als nur die Vermutung von Kowalczuk. Das journalistisch abwägende „möglicherweise“ steht in auffälligem Kontrast zur tatsächlichen Schwere („eigenhändig Berichte … schreiben“) des dahin geraunten Verdachts.

4d) Die weitere Umwandlung der Vermutung in einen ernsten Verdacht betreiben Hackenbruch/Ide mit einem bewährten journalistisches Mittel, das besondere Sorgfalt vorspiegelt:
„Nachfragen des Tagesspiegels dazu, gestellt am vergangenen Donnerstag, ließ Holm bisher unbeantwortet.“

Merke: Wer nicht antwortet, macht sich vollends verdächtig.

4e) Der Artikel von Hackenbruch/Ide endet – ohne journalistisch gebotene Gründe – mit einer Einschätzung aus dem Munde des AfD-Spitzenpolitikers Pazderski: „Diese Koalition ist eine Zumutung für die Wähler.“

5) Am 16.1.2016 (digital um 21:51) und in der Druckausgaben vom 17.01.2017 berichtet Robert Ide über den Verlauf einer von Andrej Holm nach seinem Rücktritt einberufenen Versammlung vom selben Abend.

5a) Das politische ‚Milieu‘ und die Persönlichkeit des Zurückgetretenen werden u.a. so umrissen:
„Er hat noch viele Fans.“
„Holm nutzte das Forum, die Mieter-Aktivisten der Stadt … weiter um sich zu scharen.“
„Andrej Holm scheint sich schnell wieder neu zu organisieren – in seinem alten Milieu.“

Kommentar: Wer auch nur einmal Andrej Holm über die Probleme hat sprechen hören, die ihn bewegen, kann über diese Beschreibung – Holm als eitler Individualist mit dem Bedürfnis, „Fans“ zu haben, andere „um sich scharen“ und sich in einem eigenen „Milieu (zu) organisieren“ – nur den Kopf schütteln. Ides Sprache, die eher dem ‚Milieu‘ des Sports und der Events („Er hat noch viele Fans“) entstammt, enthüllt vor allem seine Blindheit gegenüber einem politischen Handeln, das sich einmal nicht aus individuellen Interessen oder einem persönlichen Geltungsbedürfnis speist.

5b) Fairerweise flicht Robert Ide in seinen Bericht einen Satz über die Rolle seiner Zeitung ein, der allerdings auch darauf hindeutet, dass er seinen eigenen Beitrag zum politischen Geschehen keineswegs als gering erachtet:
„Das Publikum hatte für Holms Rücktritt sowieso andere Schuldige ausgemacht. So wurde ein Baufilz in der SPD beklagt, ebenso das schlechte Krisenmanagement der Koalition und der Linken. Mehrere Redner kritisierten auch die Medienberichte insbesondere des Tagesspiegels über Holms Stasi-Vergangenheit.“

IV. Gibt es Alternativen der Berichterstattung im Fall Holm?
Die taz hat in ihrer Berichterstattung und in ihrer Kommentierung (durch das Nebeneinanderstellen von Pro und Contra) gezeigt, wie eine kontroverse Frage informativ und fair behandelt werden kann. Und das folgende Beispiel einer kritisch abwägenden Kommentierung stammt nicht zufällig aus dem entfernten München: Jens Schneider schreibt in der Süddeutschen Zeitung vom 17.1.2017, ohne die Fehler auf der Seite aller Beteiligten unter den Teppich zu kehren:
„Vielleicht ist es ein interessanter Gedanke, sich mal zu fragen, wie man in zwanzig Jahren auf diese bizarre Episode der Berliner Politik zurückblicken wird: Ein 46-jähriger Mann muss als Staatssekretär aufgeben, weil er als junger Erwachsener eine Karriere bei der Stasi begonnen hatte. Dass er bereut und dass er sich entschuldigt, es hilft ihm vor den Augen seiner Kritiker nicht. Wird man die Maßlosigkeit der Debatte mit dem Abstand der Jahre erkennen?“
Die Historikerin Marion Detjen hat anlässlich des Falls Holm in ZEIT-Online vom 16.1.2017 auf einen leichten und einen schweren Weg der Aufarbeitung hingewiesen:
„Nichts ist so leicht politisch zu instrumentalisieren wie eine „Biografie“. Den Einzelnen, mit seinem vorwärts gelebten und rückwärts gedeuteten Leben, lässt man auf dem Feld der gegenwartsbestimmten Interessenskonflikte ganz schnell symbolträchtig über die Klinge springen. Verantwortungsvoller, wenn auch schmerzhafter für alle Beteiligten wäre es, die Interessen offenzulegen und auszuhandeln, nach den Strukturen zu fragen, die die einen belasten und die anderen entlasten, und Zurechenbarkeiten herzustellen.“

Diesem nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch journalistischen Anspruch ist der Tagesspiegel, soweit Robert Ide die Feder führte, nicht nur nicht gerecht geworden, er hat ihn in der Missachtung wesentlicher Sorgfaltsregeln beschädigt.
Rerum cognoscere causas („Die Ursachen der Dinge erkennen“) sieht anders aus.

19.1.2017


Ulf Kadritzke (* 21. März 1943 in Rosenberg) ist ein deutscher Soziologe.

Kadritzke studierte Soziologie an der FU Berlin. Von 1968 bis zu seiner Promotion 1974 war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie in Berlin, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI). Von 1976 bis zu seiner Pensionierung 2008 war er Professor für Industrie- und Betriebssoziologie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. (Wikipedia)

Veröffentlicht unter #holmbleibt, Sonstiges | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Bemerkungen zum Umgang von Robert Ide mit dem ‚Fall Holm‘ im Tagesspiegel // Ulf Kadritzke // telegraph vom 19.01.2017

Andrej Holm’s Short Stint as State Secretary for Housing – A Summary for English Speakers // #holmbleibt

On December 13th, 2016, Andrej Holm was appointed State Secretary of Housing in Berlin by Senator for Urban Development und Housing, Katrin Lompscher (Die Linke). Within a month he was forced to resign due to a highly politicized smear campaign. The smear campaign also resulted in Andrej’s dismissal from his position at Humboldt University. Andrej Holm is a well-known critical scholar and activist, especially concerning housing issues and his appointment appeared as a way for Die Linke to demonstrate that they are serious about a genuine social orientation of the city’s housing policy.

This chronicle of events, background information and appeal for support is aimed at the international community.

Since late December, Berlin’s urban social movements have engaged in defending Andrej Holm, an activist and critical scholar, appointed as State Secretary of Housing of the Berlin Senate for Urban Development und Housing in December, and subsequently forced to resign in mid-January, 2017.

In September 2016, the Berliner electorate voted in a new government for the city and the Federal State of Berlin. In early December, the SPD (Social Democratic Party), the Green Party, and Die Linke (the Left Party) formed a government coalition. The new red-red-green coalition marked a considerable change from the previous legislature led by the conservative CDU and the social-democrat SPD and raised hopes for a more progressive and socially oriented city politics. In the subsequent days, the new government started assembling its new personnel, starting with the Senators (who are the equivalent of ministers) and State Secretaries (who hold a crucial position within the Berlin city government.

Although it was evident from the start that a move as radical as Andrej Holm’s appointment would be met with at least some resistance by the city’s political class, no one could have expected what was about to follow. After only a couple of days, members of the CDU and the SPD, as well as parts of the media, started an aggressive smear-campaign against Andrej. In this context, the main argument against Andrej’s appointment was his five months as a trainee and prospective officer of the Ministry of State Security of the German Democratic Republic (popularly known as the „Stasi“). This was over 25 years ago – from September 1989 until January 1990, when he was 19 years of age.

A perpetually escalating political conflict and media hyperbole marked the following month over the holidays. On the one hand, the smear-campaign reached unprecedented levels: details of Andrej´s personal biography were twisted and sensationalized as coverage concentrated on Andrej’s past and character rather than what his appointment might mean for the housing situation in Berlin. Lies and half-truths quickly spread as news outlets started quoting each other, rather than using primary documents and statements as their main source. The focus was never on what Andrej Holm could achieve for local residents as Berlin’s State Secretary of Housing, rather it sensationalized the actions of a teenager who had just begun his training at the Stasi. From the beginning, critics had designs on Andrej’s dismissal.

On the other hand, solidarity with Andrej has grown stronger and ever more visible. A group of urban movements active around housing issues has within a few weeks gathered more than 16,000 signatures in a petition demanding the Senate keep Andrej in the government. Moreover, although newspapers mostly promoted views critical of Andrej, public opinion, polls published in the online editions of those same papers demonstrated significant support for Andrej’s appointment as Secretary of Housing, with even East German opposition and former victims of the Stasi coming forward to declare their support.

The Stasi issue is, of course, a very delicate one in German collective memory and the country’s coming to terms with its division during the Cold War. Without doubt, the Stasi has come to stand for the criminal character and brutality of the East German regime. Die Linke, who are legally the direct successors of the SED (the German Socialist Unity Party, the governing party of East Germany), play a critical role in this story, as the party is called upon to demonstrate that it has convincingly broken with its authoritarian past while, at the same time, maintaining socialist ideals.

The campaign against Andrej took a dramatic turn when it emerged that Andrej had (allegedly) mischaracterized his brief involvement with the Stasi in a 2005 questionnaire filled out in order to accept an academic position at Humboldt University. Public institutions in Germany require employees to state their (non-) involvement with the Stasi through the use of such questionnaires when applying for mid- to high-ranking positions. When Andrej accepted his job at the University, he stated in the questionnaire he had begun his military service with a particular Stasi regiment.

However, based on files obtained from the Stasi Archives and published (practically on the day of his appointment) by Berlin’s tabloid the BZ, the press argued Andrej Holm’s statement was formally false. The documents showed that Andrej was classified as a „trainee officer“, i.e. that he was not merely a trainee, but one already intending to become an officer. This point was avidly echoed by several politicians. Having completed only five months of service as a trainee in various low-level positions, however, his training ended with dismissal when the revolution in the GDR led to the dissolution of the Stasi.

From the moment the issue of the questionnaire became public, the entire campaign honed in on Andrej´s allegedly deliberate lie to Humboldt University. His detractors maintained that Andrej “deserved” to be dismissed from his political appointment as Secretary of Housing, as well as from his academic researcher position at Humboldt University. At the same time, Die Linke reacted to the growing political pressure by binding its decision on Andrej’s future as State Secretary of Housing to the juridical evaluation of his questionnaire answers, which the University was about to undertake.

Shortly after this, Andrej participated in a public discussion hosted by an institution connected to the former GDR opposition in which he discussed his past involvement with the Stasi and demonstrated complete readiness to take responsibility for his past and to discuss the complex issue of his involvement with the Stasi and how he had dealt with it. He did this in a context in which he could expect intense, and to some degree, justified, questioning from those who had suffered under the Stasi. Andrej’s willingness to account for his past in such a way is indicative of how he has dealt with his past since the early 90s. Instead of hiding within the echo-chambers of Stasi or GDR apologists (which exist in both former East and West German political circles), he has joined political groups with a background in the GDR opposition, and made his past entirely transparent. In 2007, he disclosed his Stasi-involvement in a national newspaper without any pressure to do so.

Four weeks after the escalating campaign had closed in on this subject, the new mayor, Michael Müller (SPD), hastily made a U-turn on the agreed procedure for Andrej’s evaluation and, on Saturday January 14th, formally requested that Senator Lompscher dismiss Andrej. He argued that Andrej´s polarizing role was damaging to the city.

On Monday, January 16th, Andrej issued a statement announcing his resignation from the position as State Secretary of Housing. He argued that he did not want his pending case to give the mayor an opportunity to end the red-red-green coalition. In his words, the alternatives to such coalitions would be much more detrimental to the lives of Berliners than his dismissal. His retreat means a huge political defeat for Berlin’s social movements and all residents who want a progressive and social housing policy – as demonstrated in the recent election. It is a well-known fact that since the onset of the global financial crisis, the city´s real estate market has attracted an enormous amount of investment from German and international capital. As a direct consequence, rental prices have risen significantly, evictions have become a daily reality, and many people with low to middle-incomes find it increasingly difficult to find affordable housing. In this situation, the need for reform is abundantly clear and Berlin’s social movements have fought for such measures for years. Against this backdrop, Andrej’s dismissal has led to as much frustration and skepticism about the chances for genuine reforms being implemented by the current government, as his appointment a few weeks ago raised the hopes for such measures.

While it is still too early to gauge the political consequences of Andrej’s resignation entirely, the reactions by the social movements have been immediate and forceful. At the same time, Andrej´s stepping down reduced the political relevance of Humboldt University’s decision regarding the questionnaire which was due two days after Andrej’s forced resignation. During those two days, more than 250 University students demonstrated their strong support by publishing and signing an open letter to the University’s Presidenent and which asked for Andrej to be allowed to continue working at Humboldt University. Some weeks before, 300 scholars from Berlin and greater Germany had already signed a public letter of support. International academics have also shown solidarity by voicing their support in the form of an open letter.

The President of Humboldt University, Prof. Sabine Kunst, nevertheless decided against Andrej. On the 18th of January, at a public press conference and during a meeting at the Institute for Social Sciences, Kunst explained the reasons behind her decision. While she praised Andrej´s work as a researcher and teacher, she declared that the University could no longer place confidence in him, because of the – in her view – wrongly marked box in the 2005 questionnaire. Labour law professionals interviewed by the media have emphasized that a dismissal based on this argumentation, even if it were found that Andrej had, indeed, been wrong in filling out the questionnaire as he did, would not necessarily be legally valid and that one could challenge a dismissal based on this argument in court.

Social movements, critical researchers, and students have since united in a strong show of solidarity. Since the night of January 18th, the Institute for Social Science has been occupied by student protesters. The students are demanding that Andrej be reinstated in order for there to be more critical perspectives in teaching and research at the University. Student representatives have also remarked on the political nature of his dismissal. They feel that the university has bowed to political pressure from the conservative parties, parts of the media, and real estate lobbies. With this dismissal, they argue, Sabine Kunst has ousted one of the last remaining critical voices from Humboldt University, and one of the most engaged public sociologists to have taken academic knowledge out of the proverbial ivory tower. The decision means that the social movements in Berlin and elsewhere could lose one of their most brilliant producers of critical knowledge on housing issues, as well as on urban struggles for equality and justice.

In light of what has been described above and despite this frustrating turn of events, we, as individuals and representatives from various Berlin tenant initiatives nevertheless believe that further actions can be effective. We believe that a great wave of critical voices in favor and support of Andrej and what he stands for – the fight against gentrification and for the right to the city – could help Andrej continue his work and further the interests of city residents. With this in mind, we ask for your solidarity and that you voice your support for Andrej.

Winter is here.

By individuals and representatives from various Berlin tenant initiatives

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Reclaim Your City – Kongress: Kunst & Stadtaneignung 24.-27.Sept. 2015 // Berlin

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Wann und Wo?
24.-27. September 2015 im Mensch Meier
Storkower Straße 121, 10407 Berlin, zwischen S-Bhf. Landsberger Allee und S-Bhf. Greifswalder Str.

Das Mensch Meier ist ein von einem Kollektiv betriebener Veranstaltungsort – für Inspiration, Intervention und Bewegung, KulturKunstPartyPolitik.

Was ist »Reclaim Your City«?
Seit 2009 organisiert das RYC-Netzwerk jährlich Ausstellungen, die Raum bieten für Austausch und Vernetzung zwischen Urban Art-Aktivist*innen und Initiativen, die für eine Stadtentwicklung von unten und das »Recht auf Stadt« eintreten. Teil des RYC-Netzwerks ist u.a. das Graffitiarchiv, das Kunst- und Medienkollektiv Pappsatt, das Siebdruck-Kollektiv Czentrifuga, kollektiv orangotango, Kulturpumpe e.V., sowie zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen. 2014 erschien im Assoziation A-Verlag das Buch „Reclaim Your City – Urbane Protestbewegungen am Beispiel Berlins“.

Einladung:
Wir laden ein zu unserer ersten großen Konferenz über alternative Interventionen im städtischen Raum. Nach zehn Jahren künstlerischem Stadt-Aktivismus wird es Zeit für eine Bilanz. Wir wollen wissen, wo Kunst und Kultur in der Stadtentwicklung stehen und wie es in Zukunft weitergehen soll.

Wir wollen uns austauschen mit Initiativen, Expert*innen und Aktivist*innen, um die aktuellen inhaltlichen Tendenzen von urbanem Aktivismus zusammenzuführen und neue Möglichkeiten aufzuzeigen, sich in die Stadtentwicklung einzubringen. So wollen wir neue Ideen entwickeln, wie wir mit Mitteln der Kunst und Kultur unsere Städte anders gestalten können – im Sinne der Bewohner*innen, basisdemokratisch und jenseits von wirtschaftlichen Profitinteressen.

Als Kunst- und Kulturschaffende, die im urbanen Raum arbeiten, sind wir Teil der stattfindenden Auseinandersetzung um Stadtentwicklung. Zusätzlich sind wir in dem Dilemma, dass wir Teil der Aufwertung von Stadtteilen sind. Daher stellen wir die Frage, wie Kunst und Kultur in diese Prozesse eingreifen können, um gesellschaftlichen statt marktwirtschaftlichen Mehrwert 
zu schaffen.

Kunst kann dabei Mittel zur kreativen Kommunikation von Protest sein, Utopien formulieren, zum Streit und zur Versöhnung dienen und vieles mehr.

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