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Debatte: Mietenvolksentscheid

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An dieser Stelle entsteht nach und nach ein Zusammenfassungsartikel zur Debatte um den Mietenvolksentscheid. Mit dem Berliner Mietenvolksentscheid haben wir uns einen Anlass ausgewählt, der bereits jetzt kontrovers diskutiert wird, und der viele Gruppen und Initiativen betrifft. Hierzu veröffentlichen wir die ersten Artikel. Wir freuen uns über weitere Beiträge hierzu!

Kontakt: kontakt@wirbleibenalle.org

Zu den Artikeln:

Ein paar Worte dazu „Warum wir überhaupt debattieren?“ findet ihr hier!

Zur Frage des öffentlichen Auftritts: Im Zusammenhang mit dem Artikel „Der ‚Mietenvolksentscheid‘ – Chance vertan!“ sind die Artikelverfassenden mehrfach gefragt worden, ob sie die im Artikel vertretene Position nicht auch auf einem Podium oder in Veranstaltungen vertreten wollen. Bisher wurde dies abgelehnt, da der Hang eine Position zu personalisieren, also Inhalte durch Personen zu ersetzen, doch recht groß ist. Die angesprochenen Inhalte sollen diesmal jedoch für sich sprechen, und als solche vertreten oder wahlweise zerpflückt werden.

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Debattenbeitrag: Das Mietenvolksbegehren ist gescheitert. Frühzeitig genug, um Neues zu wagen

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Das Mietenvolksbegehren ist gescheitert. Frühzeitig genug, um Neues zu wagen

Bevor dieser Text in die Kritik einsteigt, wollen wir klarstellen: das Scheitern des Mietenvolksentscheides ist kein Anlass zur Häme. Wir, als radikale, außerparlamentarische, anarchistische Strömungen haben es in unserer Breite und Unterschiedlichkeit nicht vermocht, in der Frage der Mieten, der Eigentumsverhältnisse, der Verdrängung der Ärmsten anschlussfähige bewegungsdynamische Alternativen aufzuzeigen und anzugehen. Ob Zwangsräumung Verhindern, Stadtteilinitiativen autonome und anarchistische Gruppen bis hin zu Menschen, die die Nächte für sich zu nutzen wissen – wir haben in der letzten Zeit keine Ansätze gebündelt als Bewegungsperspektive vorschlagen können.

Insofern fällt das Scheitern des Mietenvolksentscheides auch auf uns zurück, obwohl viele von uns nun gar nichts mit ihm zu tun hatten oder haben wollten. Wir sind verzweifelt, und das meinen wir ernst, über einen Teil der radikalen Linken, die strohfeuermäßig von einem zum anderen Event hastet, die sich in der Subkultur eingerichtet hat und nur dann Solidarität einfordert, wenn es einem ihrer Projekte an den Kragen geht. Wir sind verzweifelt über eine Linke, die zum Teil der Mittelschicht angehört und in Eigentum investiert, ihre Karriere und Identität pflegt wie andere eine Wellness-Kur  und die auf die Ausgrenzung der Ärmsten pfeift, weil sie es kann.
Wir respektieren, dass andere Gruppen in anderen Kämpfen stecken, aber wir beklagen das Nebeneinander-Her verschiedener Ansätze, die oft bezugslos zueinander im Raum hängen.
Wir teilen nicht die Kritik, den Kampf gegen Gentrifizierung als Teilbereichskampf abzuwerten – es kommt immer noch auf die damit verbundene Perspektive an.
Wenn wir eine andere Gesellschaft wollen, dann braucht es für einen revolutionären Angriff auf die Besitzverhältnisse in dieser Stadt den Willen, bewegungsbreite Vorschläge zu machen und auf den Weg zu bringen! Die müssen breiter diskutiert werden und in gesellschaftliche Mobilisierungen münden – mit einer Sprache die verstanden werden kann, die sozial anknüpft an die Realitäten der verschiedenen Ausgegrenzten dieser Gesellschaft. Und es braucht auch alle Formen der militanten Aktionen gegen die Akteure der Verdrängung, der Zwangsräumungen, des Ausverkaufs der Stadt, der Rassisten, die Flüchtlinge und „Deutsche“ gegeneinander ausspielen wollen, gegen Polizei und Verwaltungen als politische Akteure und Politiker, die immer wieder entlang von Unterschieden „Teile und Herrsche“ durchsetzen können . Nichts von dem werden die Reformisten angehen, das müssen wir schon selbst machen.

Die radikalen Teile der Mieter*innenbewegung, der Anti-Gentrifizierungsgruppen und alle, die diesen nahe stehen und sich punktuell mobilisieren lassen, sind Teil der Stagnation, der wir gleichermaßen gegenüberstehen.

Wir setzen in diesem Text die Kenntnisse um die innere Verfasstheit und allgemeine Kritik an dem Mietenvolksbegehren und seinem Scheitern insofern voraus, als dass wir uns auf die Kenntnisse vorangegangener kritischer Texte beziehen. Zum Beispiel auf dieser Webseite. Das Scheitern des Mietenvolksbegehrens hat basisorientierten Strukturen mehr deutlich gemacht als es den Akteuren des sogenannten KO-Kreises mit ihrem SPD-Kuschelkurs vielleicht bewusst war. Hier kann eine bunte, außerparlamentarische und radikale Mieter*innenbewegung kollektiv lernen.

Nun zeigt sich noch einmal deutlich die Grenze einer reformistischen Politik, wenn man nicht auf hierachiefreie Strukturen achtet und Leute für sich sprechen lässt, die besser in Parteien aufgehoben sind als innerhalb einer außerparlamentarischen Bewegung. Basisstrukturen sind für einen Teil des „KO-Kreises“ ein taktisches Moment und die Verhandlungsmasse gegenüber den Politikern gewesen. Jene Politiker, die Verursacher von Verdrängungsprozessen sind, mit denen man sich bereitwillig an einen Tisch gesetzt hat, und irgendwelche Kompromisse ausdealte. Die dann noch nicht einmal Willens oder in der Lage waren, den Gegenstand dieses Deals ihrer Basis zu vermitteln. Stattdessen wurden nur rosarote Verklärungswolken rausgepustet.
Es ist unerlässlich, sich Zeit zu nehmen und dem Scheitern des Mietenvolksbegehren ins Auge zu sehen. Kein Vergnügen sicherlich, aber unerlässlich ist es, die Differenzen auszusprechen, um von der Verschiedenheit der Einschätzung zum Scheitern ehrliche Ausgangsbedingung zu schaffen: für perspektivische Diskussionen, gemeinsam und strömungsübergreifend.

Der Anfang des Scheiterns

Noch einmal im Schnelldurchgang die Ausgangslage. Ohne Mandat einer Basisstruktur, ohne Zustimmung des Aktivenrates des Mietenvolksbegehrens, ohne politische Legitimation und unter Ausblendung aller interner und externer geäußerten Kritik hat die „KO-Gruppe“ (Koordinierungsgruppe) sich ermächtigt, ein Abkommen mit der SPD zu schmieden. Intransparent. Ausgrenzend. Ein Lehrbeispiel ist die Entstehung des „KO-Kreises“: Mit dem Instinkt zu Machtpositionen manövrieren sich selbsternannte Anführer immer und immer wieder an die vermeintliche Spitze von Basisstrukturen, um diese dann für ihr Interesse zu funktionalisieren. Bewegung ist nur das taktische Moment, sich als Machtfaktor in Verhandlungen einbringen zu können und durch die Zusammenarbeit mit anderen machtgeübten Politikern schlussendlich emanzipative Bewegungen zu verraten. Zumal der politische Verrat umso einfacher fällt, als dass der Großteil des KO-Kreises niemals am Aufbau von sozialen Gruppen beteiligt war, sondern geneigt ist seine eigene Organisation zu vertreten. Sprich wie die Berliner IL als Teil des KO-Kreises, der man achtenswerter Weise zubilligen muss, dass sie ihr eigenes Handeln in einem Text selbstkritisch reflektiert und darin wohltuend alle taktischen Seifenblasen weg lässt. Ob sich aus der Selbstkritik auch soziale Organisierungen ergeben, sei dahingestellt. Dafür müsste das politische Projekt einer sozialrevolutionären Perspektive verstanden werden.
Wir reden hier auch von Leuten, die tatsächliche Parteipolitik machen, wie die „Linke“, die in einer mietenpolitischen Bewegung nichts zu suchen haben. Sie gehören zu den Mitverursachern der Verdrängungspolitik in Berlin und versuchen seit einiger Zeit wieder Opposition zu spielen und sich außerparlamentarischen Ansätzen einerseits anzubiedern und andererseits zu benutzen. „Kotti & Co“, ebenfalls Teil des „KO-Kreises“, ist zwar am achtenswerten Aufbau sozialer Strukturen beteiligt, doch deren politische Köpfe verheddern sich immer wieder in dem Kuscheln mit der Macht oder undurchsichtigen taktischen Manövern. Mit dem Ziel sich Vorteile zu verschaffen – die es entweder nicht gibt oder auf Kosten anderer gemacht werden. Um so tragischer, weil Kotti & Co sich immer wieder auch zum Spielball von Teile und Herrsche der Politik macht, die letztendlich ihre eigene Arbeit konterkariert. Mit leeren Händen vor den eigenen Strukturen aus einer Verhandlung wiederzukommen ist kein Vergnügen. Abgespeist mit Brotsamen einer neoliberalen SPD, einer Partei, deren machtpolitisches Befrieden, Zersetzen, Zerstören, Kriminalisieren, Einkaufen und Einbinden von sozialen Kämpfen ein geübtes Alltagsgeschäft seit ihres Bestehens ist. Wie schaffen es diese Politiker – als Schimpfwort verwendet – sich immer wieder als Interessenvertreter von sozialen Belangen verkaufen zu können? Als gäbe es kein Hartz IV, keine Verdrängung, kein Ausverkauf der Stadt unter ihrer Verantwortung.
Dass dann aus dem „KO-Kreis“ kommt „Der Kampf geht weiter“, ist das Pfeifen im Wald. Und dass uns dann verantwortliche Akteure „Scheiße als Gold“ bzw. den Kompromiss mit der Politik als Erfolg verkaufen wollen, ist ein Trauerspiel. Schlimmer noch sind jene Leute, die der eigenen Propaganda und Schönfärberei aufsitzen. Kritik perlt einfach ab. Und man war schon immer geübt. Grundsätzliche Kritik an dem Mietenvolksbegehren hatten jene Leute eh schon seit längerem ignoriert.

Es sei noch mal der Form halber erwähnt: Wenn nicht gerade das Scheitern als Sieg verkauft wird, herrscht Schweigen. Niemand übernimmt die Verantwortung, niemand erklärt den Leuten, warum es keinen Mietenvolksentscheid gibt. Das Desaster ist so heftig, dass ausgerechnet ein Aufarbeiten nur durch Unterstützung von Außen möglich ist, ausgerechnet von uns als größte Kritiker*innen des Mietenvolksentscheids. Weil wir uns in der Verantwortung sehen für einen Kampf, der verschiedenen Strömung mitzudenken versucht.

Wie auch immer: Die Verhandlungsführer haben sich politisch in ihrer Glaubwürdigkeit diskreditiert. Für sie steht eine „Resozialisierung“ im Sinne von Zurückzufinden zu gemeinschaftlichen und solidarischen Umgangsweisen miteinander an. Und das heisst auch, seine eigene Bedeutung runter zu schrauben. Das heisst auch, Kritik von anderen erfahrenen Kämpfer*innen anzunehmen – auch wenn diese politisch vielleicht woanders stehen. (Diese Position gilt nicht für Parteifuzzies – sie haben keinen Platz in einer außerparlamentarischen Bewegung – außer der Zuarbeit von Informationen auf Anfragen in unserem Sinne.)

Der Wunsch nach Anerkennung durch Machtpolitiker ist nur die andere Seite ein und derselben Medaille von taktischer Macht- und Realpolitik. Soziale Kämpfe sind für eben diese selbster­nannten Sprecher und Bewegungmanager*innen nur die Projektionsflächen. Vielfach geht es Machtpolitikern eher darum, Bewegung zu steuern, in eigenem Interesse zu funktionalisieren und zu instrumentalisieren anstatt ein Teil dieser Bewegung zu sein. Auch nicht selten betrieben mit dem Ziel, die eigene Karriere vorwärts zu bringen, einen Job an der Spitze der Bewegung zu ergattern oder sich schlicht wichtig zu fühlen. Nicht als von Anfang an gefasster Vorsatz, doch aber angelegt in der Politikform und dem eigenen Lebenskonzept, aus dem heraus sich der Wechsel zum Beispiel von der Antifa in die Linkspartei logisch, zwangsläufig, organisch und gerne ergibt. Das ist dann bekanntlich nicht der Bruch mit der vorherigen Position, sondern die konsequente Weiterentwicklung derselben.

Weitere Gründe des Verhandelns mit den Verursachern der Mietmisere sind nicht nur taktische Vorsätze, sondern auch Naivität. Auch Eitelkeiten gehören dazu und, spitzen wir es subjektiv und hart zu; männliche Selbstverliebtheit. Wer sich in eine Position hineingearbeitet hat, in dem andere zu einem Aufschauen – mit der damit zusammenhängende Zurschaustellung von vermeintlicher Wichtigkeit, das geile Gefühl der Aufwertung durch die entsprechenden Gesprächspartner, die auch ihrerseits glauben, Macht zu „haben“ – dem pinselt das den Bauch. Um das patriarchale Moment des Handelns auf den Punkt zu bringen: Mann ist voll betört von sich und voneinander. Kritik perlt deshalb an einem ab, denn sie geht an das Selbstbild. Es mag wie Polemik erscheinen, einen politischen Vorgang zu beschreiben als hänge das Scheitern des Mietenvolksbegehrens auch mit patriarchalen Strukturen zusammen. Doch bei aller Zuspitzung zu glauben, der „KO-Kreis“ sei darüber erhaben, ist ein Trugschluss, mit dem aufgeräumt werden muss. Manche Handlungsabsichten sind manchmal weit profaner als wir denken. Weil man dem Machtdenken sehr nah ist und glaubt die Gegenseite besser über den Tisch ziehen können, weil patriarchale Strukturen unhinterfragt reproduziert werden können, begibt man sich überhaupt erst in eine Diskurs mit den Verursacher*innen der Mietenmisere. Gut gemeinte, sorgenvolle Kritik schießt man dann noch leichter in den Wind.
Von Herrschenden sich anerkannt zu fühlen, macht der eigenen Potenz ein großes Gefühl und ist mehr Motor des Handelns als manchen von uns manchmal lieb ist. Denn ebenso wie Parteipolitik und taktisches Kalkül gegenüber sozialen Bewegungen muss auch der patriarchale Charakter der Strukturen wenigstens eine Benennung finden. Sonst können wir die zukünftigen KO-Kreise – die Namen wechseln, das Muster bleibt – nicht wirkungsvoll identifizieren, entmachten und rechtzeitig in gemeinschaftliches Handeln zurück zwingen, wenn es eine Verselbständigung gegeben hat, die eine Korrektur im laufenden Prozess braucht – wie geschehen innerhalb der Struktur zum Mietenvolksentscheid. Denn wir brauchen egalitäre Strukturen, aus denen heraus gemeinschaftlich gehandelt wird. Nur der wirkliche Konsens erlaubt auch öffentliche Sprechpostionen und ermächtigt zur Entscheidung, ob es überhaupt etwas zu verhandeln gibt; und wenn ja was, und wie das dann gegebenenfalls organisiert wird. Wir setzen die Bedingungen der Verhandlungen – nicht die Gegenseite mit ihren Sachzwängen, welche nicht unsere sind, wenn wir sie nicht zu unseren machen, nicht ihre Herrschaftslogik, in der sie zu handeln gewohnt sind, die legitimierte Sprecher, „Anführer“, sucht, die was zu sagen haben. Patriarchale Strukturen unterminieren, zersetzen und zerstören soziale, emanzipative Basisbewegungen.

Die Gockel haben Namen

Wir verzichten darauf, sie hier auszuschreiben. Aber sie sind identifizierbar.
„Mediaspree versenken“ wurde maßgeblich von einem Menschen als Bewegung verkauft und politisch versenkt. Er versuchte alles Wissen auf sich zu konzentrieren, um dadurch selektive Politik betreiben zu können. Radikale und außerparlamentarische Ansätze hat er nur deshalb so gut ausbremsen können weil er a) sich Wissensvorsprünge organisierte, b) sich an strategisch wichtige Stellen platzierte, die Machtkonzentrationen erlaubten und c) weil radikale und außerparlamentarische Menschen ihrem eigenen Liberalismus erlagen und sich nicht trauten, ihn aus den Strukturen – politisch begründet – zu schmeißen. Dass er Gelder der Bewegung veruntreute und sich vom politischen Gegner finanzieren ließ, ist da nur noch eine Fußnote wert. Runde Tische, Kungeln mit der Politik – besser bekannt auch als „Mitmachfalle“ – selbsternannte Sprecher – immer dieselben Muster. In diesem Fall ohne KO-Kreis.
Stopp 100, angeführt von einem anderen Mann, der keinen anderen Hahn neben sich duldete, sprang ebenfalls süchtig jedes Mikrophon an. Ihnen gemein ist, Bewegung und Widerstand zu simulieren. Widerstand darf niemals echt sein.
Noch so ein Kunde sitzt im Ko-Kreis. Nur sich selber verpflichtet und seinem Ego, ohne Anteil an den Aufbau sozialer Strukturen, sondern immer Nutznießer der Arbeit anderer. Er trötete dann auch die Erfolgsmeldung der Verhandlungsergebnisse heraus – jenseits jeder Realität. Und setzt sich auch gerne an jeden strategischen Punkt, der ihm die Kontrolle über die Verhandlungen erlaubt – in seinem Sinne.
Ein anderer aus diesem Kreis übte sich seit Jahrzehnten im Umgang mit der Macht, schrieb an der Vorlage zum Mietenentscheid kräftig mit, führte die Verhandlungen und sorgte anschließend dafür, dass Ergebnisse anschließend vernebelt wurden. Die Belohnung folgte auf dem Fuße. Jetzt hat er den Posten des Geschäftsführers einer auf der Woge des Mietengesetzes neu gegründeten Anstalt erhalten.
Das sind Typen, die identifizierbar sind, die benannt gehören, auf die wir verzichten werden.
Noch einmal schauen wir nicht zu, wie sich selbsternannte Sprecher in „KO-Kreise“ manövrieren und Bewegung verarschen. Solche Leute müssen sich verantworten. In öffentlichen und transparenten Diskussionen.
Nehmen wir aber neben oben genannter Kritik an, dass es im „KO-Kreis“ auch Leute gab, die überwiegend von dem Wunsch beseelt waren für die „Mieter*innen“ oder auch eine diffuse Bewegung das Beste herauszuholen, gehen wir also von dieser positiven Annahme aus, dann müssen wir uns der Gerechtigkeit halber einen weiteren Aspekt anschauen: Die Einbildung, man sei ein Gesprächspartner auf gleicher Augenhöhe, entspringt sowohl einer Naivität als auch einem Wunschdenken. In dieser Haltung liegt auch eine gewisse Arroganz explizit gegenüber Basisstrukturen, die bekanntlich ein Verhandlungsmandat nicht erteilt haben. Völlig ungeübt im Umgang mit Machtstrukturen (oder diese ausblendend), weil man dann gar nicht in ein Diskursverhältnis hätte treten dürfen, hat man sich mit dieser SPD-Riege eingelassen. Und ihr alleine dadurch schon Legitimität verschafft.
Die größte Tragik des Scheiterns des Mietenvolkbegehrens liegt nicht in seinem eigentlichen Scheitern. Denn gescheitert ist der Mietenvolkentscheid schon mit dem Entschluss, ihn auf den Weg zu bringen. Frühzeitige Kritik wurde nicht nur systematisch ausgeblendet und ausgegrenzt. Der Mietenvolksentscheid konnte auch nie das einlösen, was mit 100% Tempelhof eindeutig und klar eingelöst werden konnte. Natürlich ist die Versuchung groß, nach dem temporären Sieg gegen den Senat in Bezug auf das Tempelhofer Feld dies auch auf die Mietenfrage zu übertragen. Das ist legitim, Reformismus hin oder her. Doch der Mietenvolkentscheid suggerierte so etwas wie eine Entscheidungsschlacht an der Mietenfrage, die er inhaltlich nie auszufüllen in der Lage war. Als ginge es beispielsweise um „100 % sozial“ oder „100% bezahlbare Mieten“. Realpolitisch musste die Fraktion der Volksentscheidbefürworter*innen schon im Entwurf so viele Zugeständnisse machen, dass er dadurch auch für viele wichtige aktive Gruppen ohne Relevanz war. In geradezu missionierender Weise sammelten einige Menschen trotzdem Unterschriften, dass man sich nur wundern konnte. Das hatte mit der Suche nach Hoffnung zu tun, dem Wunsch wirklich etwas zu tun. Doch hier haben eben jene, die den Mietenvolksentscheid durchsetzen wollten, nie klar Tacheles geredet. Es wurde nicht deutlich gemacht, dass die Hoffnungen der Leute nicht mit den realen Möglichkeiten übereinstimmen.
Einige von uns lehnten den Mietenvolksentscheid rundweg ab, doch andere, die auch keine Befürworter*innen eines Mietenvolksentscheides waren, schien er wenigstens ein Instrument, um die Frage der Mieten zu politisieren – wenn es denn eine Kampagne gegeben hätte. Und wenn nicht der gewonnene Volksentscheid das Ziel gewesen wäre, sondern die Kämpfe, die sich diesen Entscheid zum Anlass nehmen. Aber das konnte deshalb nicht funktionieren, weil der Entscheid nur eine Zuspitzung kennt: gewinnen oder verlieren.
Die Mietfrage kann nur durch den außerparlamentarischen Druck auf der Straße entschieden werden, und es geht – wenn überhaupt- immer nur Millimeter für Millimeter vorwärts. Dass die Politik nun „bezahlbare“ Wohnungen baut, also ab 6,50€ den Quadratmeter aufwärts, damit aber weiterhin über 500.000 Menschen ausgrenzt, die 4-5€ pro qm bräuchten, hat mit unserem langjährigen Widerstand zu tun – auch wenn dies nie eingestanden wird. Wir haben mehr Grund zum Selbstvertrauen als es scheint. Doch umringt von Neubauten mit Eigentumswohnungen und Luxuslofts sind wir trotz der Millimetererfolge in der Defensive. Weil die Mietenbewegung sich letztlich nicht an die Eigentumsfrage und Besitzverhältnisse heranwagt, dem großen „Klops“ gegenüber hilflos dasteht, oder nur vereinzelt Ansatzpunkte sucht, ihr jeweiliges Projekt für zentraler als andere hält – aber eine Ausweitung auf brauchbare Ansätze, die wir ausprobieren sollten, nicht breiter diskutiert werden.

Wenn letztlich die Mietfrage eine Frage der Besitzverhältnisse ist, kann ein Mietenentscheid nicht daran rühren. Er hätte höchstens ein Frage, ein Objekt ins Visier nehmen können, ein Kröte, die für SPD und CDU entweder zu groß zum Schlucken ist; oder, wenn man es für taktisch richtig findet, die so klein aufgestellt ist, das Aussicht auf Erfolg besteht. Oder besser gesagt ein Erfölgchen, ein Kampf unter vielen, zu denen auch die militanten Angriffe auf Eigentumswohnungen gehören. Aber der Gegner ist politisch stark, die Eigentumsverhältnisse lassen sich über einen Volksentscheid gar nicht zum Thema machen. Doch man wollte selber glauben, dass man in der Lage ist, mit dem Mietenvolkentscheid einen echten Entscheid herbeizuführen. Also konnte man die ganzen von Hoffnung beseelten Aktiven für den Volksentscheid auch nicht enttäuschen. Irgendwann war der Zug dann auch abgefahren; weil man auch den eigenen Prophezeiungen glaubte und diese nie korrigierte. Der Mietenvolksendscheid gibt inhaltlich soviel her wie der Milieuschutz. Nichts als äußere Etiketten. Wohlklingende Namen, die nicht das halten was sie versprechen: Sozialdemokratische Verarsche der Ärmsten dieser Stadt. Hier wurde von Bewegungsmanagern und Machtpolitiker*innen Hoffnung verkauft. Und dies bis zum bitteren Ende. Und die Betrogenen sind jene Menschen, die sich mit viel Hoffnung auf diese Projekt stürzten, deren Kritik und vorsichtige Anmerkungen gegen jene Verführer nicht durchdringen konnten. Und da liegt die eigentliche Tragik – nicht im Scheitern der Mietenvolksbegehrens alleine, sondern in der irrsinnigen Hoffnung, man käme ohne außerparlamentarischen Widerstand auch nur einen Schritt weiter. Die Menschen, die eigenen sozialen Strukturen gehören zu den unmittelbar Betrogenen. Und dies ist der Kern dessen, was die bittere Lektion ist, die sich aus dem Scheitern ergibt für jene engagierten Menschen und jetzt erst einmal verdaut werden muss.

Was können wir lernen ?

An uns ist es deutlich zu machen, das es keine selbsternannten Bewegungsmanager und Sprecher*innen mehr geben darf. Nur das breite Mandat einer Bewegung oder der Gruppe legitimiert überhaupt zu einem solchen Schritt.

Die zweite Lektion ist; Wenn ein Mandat nicht erteilt wird, aber sich Menschen darüber erheben und in Verhandlungen treten, betreiben sie einen Ausverkauf der Bewegung. Diese Menschen sind öffentlich und namentlich zu benennen und haben in emanzipativen Strukturen nichts mehr zu suchen.

Die dritte Lektion, mit Dank an die neoliberalen Parteisoldaten von der SPD: ohne außerparlamentarischen Widerstand wird es keine nennenswerte Bewegung mehr an der Mietfrage geben. Die Stadt ist als Standort zum Ausverkauf frei gegeben worden. Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung gelten kaum bis gar keine sozialen Kriterien mehr. Seit mehr als zehn Jahren wurde für ein Drittel der Bevölkerung keine einzige Wohnung mehr gebaut, das heißt dieses eine Drittel hat keinerlei Grund mehr, sich irgendwas von Seiten der politisch gewählten Vertreter zu erhoffen. Dieses Drittel wird sich dieses Recht, in der Stadt wohnen zu bleiben nehmen müssen. Mit all den Konsequenzen, die einen solchen Kampf erforderlich macht. Oder wir leben unter Brücken, in Parks, eng zusammengepfercht am Rand der Stadt, in Containerdörfern oder in Landstrichen, in denen niemand sonst leben will.

Die vierte Lektion ist, dass ein solcher Widerstand auf möglichst breite Grundlagen gestellt werden muss, denn die Heftigkeit der Repression, die den Widerstand zu brechen versucht (Beispiel Räumung Lausitzer Strasse, Angriff auf Rosemarie-Demo, Hetzkampagnen gegen militante Aktionen, A100 Bau durch die Stadt, uferlose Bewilligung von Neubau fast ausschließlich für Eigentumswohnungen) ist ein Faktor, dem sich nur eine breite Basisorganisierung entgegenstellen kann, einer Organisierung, die nicht subkulturell aufgestellt ist, sondern entlang der Armutsfrage handelt. Und somit auch Geflüchtete einschließt. Wie kann ein Kampf gekoppelt werden, der Flüchtlinge und Arme zusammenbringt? Gerade im Schatten von Pegida eine Herausforderung die Antworten sucht.

Die fünfte Lektion richtet sich eindeutig an die Strömungen, die das Scheitern des Mietenvolksbegehrens schon früh erkannt haben, aber geschwiegen haben, um einen Konsens nicht zu stören, der ein Nebeneinander verschiedener Ansätze gewähren lässt, weil man (vermeintlich) selber auch keine weiter führenden Ideen anzubieten hat. Diese Lektion richtet sich an eine radikale Szene, die nur punktuell interveniert und keine bis wenig politische Verantwortung für die Gesamtsituation übernimmt. Viele werden sich den Schuh jetzt nicht anziehen, weil man sich nicht zuständig fühlt. Eben darin liegt das Problem. Wenn wir in diesem Text austeilen in Richtung Kotti, IL und andere Gruppen, dann möchten wir auch so ehrlich sein und unsere Verärgerung in Richtung identitärer, subkultureller, linksradikaler Gruppen loswerden. Ansätze zur Diskussion z.B. am sozialrevolutionären Stadtentwicklungsprogramm wurden wenig bis gar nicht genutzt. Die soziale Frage ist eine, die militant und sozialrevolutionär zu besetzen ist, durch eine Praxis in den Stadtteilen, durch Angebote und Anlaufpunkte, durch Verankerung in dem ausgegrenzten einen Drittel Berlin, in sogenannte Küfas – die sich zu Anlauf- und Organsierungspunkten des ausgegrenzten Drittels entwickeln müssen. Was sonst ist Widerstand, als die Brüche in der Gesellschaft zu erkennen und Optionen praktisch werden zu lassen, die Hoffnung beinhalten und sei es nur durch die Erfahrung von Solidarität. Solidarität ist der erste Schritt zum Durchbrechen der Vereinzelung und zum gemeinsamen Handeln. Dem Blendwerk des Mietenvolksbegehrens ist keine Alternative entgegengesetzt worden. Die Kritik am Mietenvolksbegehren fällt auch auf uns zurück. Und vielleicht würden sich die reformistischen Kräfte auch eine Entlastung wünschen, wenn wir Akzente setzen, die auch in dieser Breite für sie anschlussfähig sind.

Das Scheitern des Mietenvolksbegehrens ist in unseren Augen eine richtige Chance für alle. Wir sind nur gescheitert, wenn wir aus den Fehlern nicht bereit sind zu lernen. Im Moment bietet sich die Chance, nochmal einen gemeinsamen Start hin zulegen: Wenn wir eine Verständigungsform finden a) unsere Unterschiedlichkeiten respektieren b) eingedenk der Unterschiedlichkeiten an politischen Überschneidungen ansetzen, die uns verbinden könnten um dann c) uns auf einige gemeinsame zentrale Schritte zu verständigen, welche d) unterschiedlich bearbeitet werden, um bis e) zu den Wahlen im September – alle Parteien an der Mietfrage und der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen vor uns her treiben – dann haben wir das aktuelle Vakuum richtig genutzt. Das darf sich dann auch gerne „Frühjahrsoffensive“ nennen.

Wenn aber Frühjahrsoffensive heißt, im Sinne der selbsternannten Sprecher des Mietenvolksbegehren eine Konferenz zu veranstalten, die da proklamiert „Der Kampf geht weiter!“ dann sind wir nicht dabei. Wenn aus den Fehlern nicht gelernt wird, die hinlänglich bekannt und auch weniger hart formuliert wurden, wie dieser Text, dann fehlt jede Grundlage zusammenzukommen. Wir aber erwarten den Willen sich zusammen darüber zu verständigen, wo wir gemeinsam ansetzten können, wie egalitäre Strukturen aufgebaut werden können, in denen alle Unterschiede Platz haben. Wenn es eine Konferenz gibt, dann bestehen wir darauf, dass daran keine Parteien teilnehmen, dass auf eine Labelpolitik verzichtet wird, die nur die eigene Organisation stärken will und soziale Bewegung anführen will. Dominanzen, taktische Verhältnisse untereinander, funktionale Verhältnisse zerstören politisches Bündnis und Vertrauen um zusammen zu kommen.
Wenn eine Frühjahrskonferenz nur neuer Wein in alten Schläuchen ist, werden wir das auch so benennen. Ein solcher Ansatz wäre dann für eine außerparlamentarische Bewegung irrelevant und im Ansatz gescheitert. Wird aber früh der Raum in alle Richtungen der Bewegung aufgemacht, haben wir die reale Chance die defensive Situation noch vor den Wahlen fundamental zu wenden. Da wollen wir hin. In diesem Fall erwarten wir, das sich der radikale Teil der Bewegung ebenfalls einlässt.

Der Mietenvolksentscheid ist gescheitert. Zum Glück frühzeitig genug. Wir betrachten das Scheitern als weniger dramatisch als es scheint. Wenn wir bereit sind aus den Fehlern zu lernen und uns gemeinsam neu aufzustellen haben wir eine echte Chance, hier was zu bewegen. Uns und andere.

Einige MietaktivistInnen

Dieser Beitrag ist ein weiterer Beitrag in der Eröffnung der Debattenreihe auf wirbleibenalle.org. Wir sind offen für alle Themen- und Artikelvorschläge und weitere Positionen zum Mietenvolksentscheid. Schreibt uns, nur dann kann die Diskussion richtig beginnen. – Kontakt: kontakt@wirbleibenalle.org

Zur Debatte:

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Vom Berliner Mietenvolksentscheid zum Kompromiss

Dieser Artikel ist eine Kopie eines Beitrags vom 12.01.2016 der Stadt-AG der Interventionistischen Linken im Original ist er unter http://www.interventionistische-linke.org/ zu finden.

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Entscheide mit… (Bild: https://mietenvolksentscheidberlin.de/)

Die mietenpolitische Bewegung in Berlin war seit Jahren nicht mehr so in der Offensive wie im Jahr 2015 mit dem Mietenvolksentscheid (MVE). Doch trotz realer Erfolge gibt es auch viel Ernüchterung. Die Beteiligung und die Dynamik waren anfangs großartig. Das Logo mit dem fröhlichen blauen Häuschen war überall zu sehen, und statt in sechs Monaten 20.000 Unterschriften konnte die Initiative bereits nach sieben Wochen 50.000 Unterschriften an die Senatsverwaltung übergeben. Doch nur knapp zweieinhalb Monate nach diesem fulminanten Start verkündete die Berliner Morgenpost: «Einigung könnte Mietenvolksentscheid überflüssig machen» (18.8.2015).

Auf Initiative der SPD wurde am 12.11.2015 im Berliner Abgeordnetenhaus das «Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin» verabschiedet. Es beinhaltet unter anderem eine Mietensubvention für Haushalte im Sozialen Wohnungsbau, wenn die Nettokaltmiete mehr als 30% von Nettohaushaltseinkommen ausmacht. Außerdem werden mehr Kredite zur Schaffung von Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt. Die Rückzahlungen werden wiederum in den Wohnungsbau gesteckt. Für die kommunalen Wohnungsunternehmen wird der soziale Versorgungsauftrag festgeschrieben und über Quoten zur Priorität erhoben. Erstmals wird auch eine Mietervertretung mit Stimmrecht im Aufsichtsrat dieser Wohnungsunternehmen sitzen.

Katerstimmung

Dennoch herrscht bei vielen Aktiven im Bündnis Katerstimmung. Das Abfanggesetz, mit dem die SPD der Initiative den Wind aus den Segeln nimmt, fällt deutlich hinter das zurück, was in ihrem Gesetzentwurf gefordert wurde. Noch viel weiter fällt es hinter die Gestaltungsmöglichkeiten des Senats zurück. Vor allem aber haben wir erlebt, dass über den MVE ein großes Potenzial an Selbstermächtigung und Organisierung von Mieterinnen und Mietern sichtbar wurde, das nun schon fast wieder verschwunden ist. Für uns schmeckt gerade deshalb der Erfolg etwas bitter.
Vor dem Hintergrund der realistischen Drohung einer Verfassungsgerichtsklage gegen das MVE-Gesetz wurden in Verhandlungen mit SPD und Senat die Inhalte des Abfanggesetzes festgelegt. Der Prozess wurde allerdings nie in einer Form rückgebunden, die es den Aktiven im Bündnis ermöglicht hätte, über das Vorgehen mitentscheiden zu können. Unserer Meinung nach hat man es am Ende nicht mehr geschafft, den Widerspruch zwischen konkreten Verbesserungen auf einem verrechtlichten Gebiet und dem langfristigen Aufbau von gesellschaftsverändernder Gegenmacht auszuhalten. Wäre dieser Widerspruch nicht einseitig aufgelöst worden, würden wir womöglich trotz der juristischen Drohung heute vor allem feiern.

Hohe Ziele

Mit dem MVE wollten wir als Interventionistische Linke und Teil des Bündnisses einen stadtweiten konkreten Erfolg erkämpfen, der Ausstrahlungskraft hat, Verdrängung zumindest abschwächt und eine Mieterbewegung stärker in die Offensive bringt. Wir haben in ihm das Potenzial gesehen, einen stadtweiten Akteur zu schaffen, der viele Kämpfe bündelt oder zumindest einen zentralen Bezugspunkt schafft. Das ist uns an vielen Stellen gelungen, auch wenn wir uns über eine breitere Kampagne und etwas mehr «Trittbrettfahrer» durchaus gefreut hätten. Über den MVE ließen sich viele Menschen erstmals oder nach längerer Zeit auch über den linksradikalen Tellerrand hinweg wieder ansprechen. Über den Aufbau von Kiezgruppen sollten neue lokale Punkte von Widerstand geschaffen werden. Schließlich wollten wir über die konkrete Antwort hinaus die Richtungsforderung der Vergesellschaftung stärken. Der Reiz eines Volksentscheids besteht gerade darin, dass sich Unmut über das Bestehende in einer Form äußern lässt, der für die Regierenden zu einem realen Problem werden kann. Gleichzeitig ist es ein politisches Instrument im Rahmen des Staates mit entsprechend vielen rechtlichen Hürden und Einschränkungen. Konkrete Veränderungen werden greifbar. Der Fluch besteht darin, dass diese in einen sehr engen rechtlichen Rahmen eingepasst werden müssen, wenn eine Alternative durchgesetzt werden soll. Das verleitet schnell dazu, die rechtlichen Grenzen gar nicht erst auszureizen oder auf geheime Verhandlungen zu setzen, wenn der juristische Druck zu hoch wird. Doch damit schränkt man die Potenziale eines Volksentscheids wieder ein. Ziel dieses Instruments muss für uns sein, das Machtpotenzial einer kollektiven Intervention für viele erfahrbar zu machen. Steht aber die konkrete gesetzliche Antwort und ihre Durchsetzung zu stark im Vordergrund, erleben nur diejenigen die Möglichkeit der Veränderung, die viel juristische Expertise haben und sich auch in Verhandlungen behaupten können. Andere können dann nur mitlaufen und sehen am Ende die Macht wieder bei Experten, statt bei sich selbst. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden affirmiert. Dies verkleinert mittelfristig den Rahmen des Veränderbaren statt ihn zu vergrößern.
In einem Spannungsfeld zwischen einem Bewegungsprojekt, dass die Stadtgesellschaft mobilisiert, und einem autonomen Akteur, der eine konkrete Antwort auf die Frage der sozialen Wohnraumversorgung liefert, handlungsfähig zu bleiben, stellt eine große Herausforderung dar. Der MVE hat es häufig nicht geschafft, eine Ausgewogenheit zwischen diesen Polen des Spannungsfelds herzustellen. Eine breite, anknüpfungsfähige Kampagne im Rücken des MVE hat gefehlt. Stattdessen hat man sich zu stark auf juristische und verwaltungstechnische Argumentationen konzentriert. Dies hat es erschwert, mit weitergehenden Forderungen praktisch und diskursiv an den MVE anzuknüpfen und gemeinsam eine Vision der Stadt von morgen zu zeichnen.
Daraus folgte, dass der MVE als Sprecherin der stadtpolitischen Bewegung gehört wurde, dies im Handeln der Initiative aber selten eine Rolle spielte. Folgerichtig wurde die Bedeutung der Gespräche für andere Initiativen selten reflektiert, geschweige denn diese in eine strategische Bestimmung mit einbezogen. In Zukunft müssen auch wir stärker darauf achten, dass ein Projekt mit großer Ausstrahlungskraft, das seine Stärke aus den vielfältigen Interessen einer Bewegung gewinnt, diese ernst nimmt, ohne dabei handlungsunfähig zu werden.

Blick in die Zukunft

Trotz allem bildet der MVE immer noch einen Bezugspunkt für viele in der Stadt. Will man den Spalt für Veränderungen nutzen, müssen wir weitermachen und aus unseren Fehlern lernen. Nur wenn wir die geschilderten Widersprüche im Kopf und praktisch aushalten, wird es sowohl weitreichende konkrete Veränderungen, als auch tiefergreifende Potenziale durch Bewegungsaufbau geben.
Nächstes Frühjahr wollen wir daher mit vielen Initiativen, Mieterorganisationen, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften darüber reden, wie eine weitere stadtweite Intervention, in der wir uns mit unseren unterschiedlichen Praxen einbringen können, für Berlin aussehen kann. Der Kampf um ein Recht auf Wohnraum für alle geht weiter.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der „Sozialistischen Zeitung“, Ausgabe 12/2015

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Der Mietenvolksentscheid: Druck wirkt! Der Kampf geht weiter

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Dieser Beitrag ist ein Beitrag der Initiative Mietenvolksentscheid und wurde erstveröffentlicht auf der Seite https://mietenvolksentscheidberlin.de/.

Liebe 50.000 Unterstützer*innen, liebe Berliner Stadtgesellschaft,

Am 12. November wird im Abgeordnetenhaus über das neue Wohnraumversorgungsgesetz abgestimmt, welches die SPD als Antwort auf unseren Mietenvolksentscheid verfasst hat. Nach einigen Wochen der Auswertung und Diskussionen wollen wir nun Bilanz ziehen und unsere Einschätzung dazu abgeben.

Das Gesetz, das der Senat nun dem Abgeordnetenhaus vorgelegt hat, verdeutlicht eines sehr klar: der politische Druck der Berliner Stadtgesellschaft hat gewirkt! Nur durch den Druck jahrelanger stadtpolitischer Kämpfe und letztendlich der knapp 50.000 Unterschriften hat sich im Senat etwas bewegt. Nur dadurch hat die SPD die Forderungen unserer Initiative zum Mietenvolksentscheid teilweise aufgegriffen und in Gesetzesform gebracht. Und nur dadurch hat sich die CDU dazu bewegen lassen, diesen Schritt mitzugehen. Die vielen Unterstützer*innen, welche sich eine einseitige Wohnungspolitik für Investor*innen nicht länger gefallen lassen wollen, konnte der Senat nicht mehr ignorieren.

Die beschränkten Mittel unseres Volksentscheids

Im Unterschied zum Berliner Senat waren unsere gesetzlichen Möglichkeiten, mit dem Volksentscheid umfassend in die Wohnungspolitik einzugreifen, von vornherein sehr eingeschränkt. Um die Verdrängung und steigenden Mieten in Berlin zu stoppen, sind vielfältige Maßnahmen nötig, wie zum Beispiel eine Korrektur der unsozialen Förderlogik des Kostenmietsystems, oder das Verbot der Zweckentfremdung von Miet- und Ferienwohnungen. Durch das sogenannte Kopplungsverbot (verschiedene Regelungsgegenstände dürfen in einem Volksentscheid nicht gemeinsam zur Abstimmung gestellt werden) war es uns jedoch unmöglich, diese vielfältigen Maßnahmen in einem Volksbegehren zusammen zu fassen. Für Mehrheitsbeschlüsse im Abgeordnetenhaus gelten diese Einschränkungen nicht. Damit könnten viel umfassendere Mittel eingesetzt werden, um eine wirklich soziale Wohnungspolitik in Berlin zu erreichen. Hätte die Regierungsmehrheit die Probleme der Stadt wirklich verstanden und wäre sie willens diese anzugehen, dann hätte sie längst umgesetzt, was für eine soziale Lösung der Berliner Wohnungsfrage notwendig wäre:

  • Verdrängung durch Modernisierung verhindern
  • Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentums- und Ferienwohnung beschränken
  • Erweiterung des kommunalen sozialen Wohnungsbau um wirklich bezahlbaren Wohnraum für deutlich unter 6,50€/m² zu schaffen
  • Grundlegende Änderung des absurden Kostenmietensystems im Sozialwohnungsbestand
  • Bei Erteilung von Baugenehmigung die privaten Bauherren stärker in die soziale und ökologische Verantwortung für die Stadt zu ziehen

Ein erster Schritt in die richtige Richtung

Da dies mit unserem Mietenvolksentscheid nicht einfach umgesetzt werden konnte, war immer klar, dass das Volksbegehren nur ein erster Schritt sein kann. Mit diesem Schritt haben wir viel bewegt. Die SPD hatte seit der Jahrtausendwende den Anspruch auf eine soziale Gestaltung des Wohnungsmarktes aufgegeben. Sie sah sich aber durch unsere Initiative gezwungen, eine sozialere Ausrichtung der Wohnraumversorgung durch die landeseigenen Unternehmen mit einem eigenen Gesetz auf den Weg zu bringen.

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Mietenvolksentscheid Berlin – Eine bewegungspolitische Tragik-Komödie in vier Akten?

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Mietenvolksentscheid Berlin – Eine bewegungspolitische Tragik-Komödie in vier Akten?

Prolog:

Dieses Papier bewertet den Mietenvolksentscheid aus aktivistischer Sicht von Kreuzberger*innen, die sich im Rahmen der Initiative auf der Straße engagiert haben. Wir haben im Mietenvolksentscheid ein Instrument gesehen, das es ermöglicht, den langfristigen Organisierungsprozess von Berliner Mieter*innen voranzutreiben. Wir haben im April und Mai Unterschriften gesammelt, waren am Aktiventreffen beteiligt und haben uns in vielfältiger Weise für den Mietenvolksentscheid stark gemacht. Wir gehören nicht dem Ko-Kreis [1] an, zu dem die Vertrauensleute, der Pressesprecher und einige Experten*innen in Sachen Mietenangelegenheiten gehören.

1. Akt – Euphorie

Der Anfang des Mietenvolksentscheid geht auf die Euphorie des gewonnenen Referendums über das Tempelhofer Feld zurück. Die Kampagne von THF 100 hat auch uns beflügelt. In Berlin gibt es eine vielfältige Mieter*innenbewegung. Es ist aber bis jetzt nur partiell gelungen, diese stadtweit zu bündeln. Das Instrument des Mietenvolksentscheid erschien daher als eine Option, die Vernetzung von bestehenden Initiativen über die Kiezgrenzen hinweg voranzutreiben und neue Menschen in Mietenkämpfe einzubinden. Gleichzeitig gab es Initiativen, wie Kotti und Ko, die für ihr Klientel ein Gesetz ausarbeiten wollten, ein Entwurf, der möglichst auch zum Gesetz und damit zu realen Verbesserungen für sozial schwache Mieter*innen rund ums Kottbusser Tor führen sollte. Der Mietenvolksentscheid hatte somit von Beginn an zwei Stoßrichtungen. Über die Kampagne, das Unterschriftensammeln, sollten Berliner*innen mobilisiert werden und über das Gesetzesvorhaben sollte die Situation der sozial schwachen Mieter*innen im sozialen Wohnungsbau zum Thema gemacht und realpolitische Ziele verfolgt werden. In der ersten Stufe sammelten viele Berliner*innen innerhalb von sieben Wochen fast 50.000 Unterschriften für das Gesetz zur Neuordnung der sozialen Wohnraumversorgung.

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Der Mietenvolksentscheid: Bewusstsein für Bewegung?

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Bewusstsein für Bewegung?

Die Initiative um den Mietenvolksentscheid wird nach den Verhandlungen mit dem Senat ihr eigenes Vorhaben voraussichtlich zugunsten eines neuen „Wohnraumversorgungsgesetzes“ aufgeben. Sowohl innerhalb der Initiative als auch außerhalb sorgt diese Entwicklung für heftige Kritik. Ein großer Teil der Gruppe dagegen sieht das Ergebnis überwiegend als Erfolg an. Abseits der fachlichen Diskussion, ob das Gesetz in seiner Form sinnvoll ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Entwicklung des Volksentscheids innerhalb der außerparlamentarischen stadtpolitischen Bewegung umgegangen wird.

Wir haben mit unserer Initiative innerhalb eines Jahres die Wohnungs- und Mietenpolitik in dieser Stadt so stark beeinflusst, wie keine andere Initiative, Gruppe oder Partei in den letzten Jahrzehnten. Das ist ein Grund stolz auf unsere Arbeit zu sein. Natürlich haben wir damit auf die Vorarbeit unzähliger Gruppen und Einzelpersonen aufgebaut. Wir haben aber diese Vorarbeiten zusammengefasst und mit dem Instrument des Volksbegehrens die Unterstützung der Bevölkerung organisiert. Erst diese Kombination hat die Politik zum Nachgeben gezwungen.“ (Ein Sprecher des Berliner Mietenvolksentscheids in einer Email an den Aktivenverteiler)

Der Funktionär spricht

Der Sprech des Sprechers ist der des Funktionärs. Wer selbst einmal Mitglied einer Partei war, erkennt die typischen Muster. Das eigene Handeln wird der Gefolgschaft verkündet, ganz nach Parteimanier wird in einem weiteren Satz eine Diskussion der Ergebnisse in Aussicht gestellt, was den Anschein basisdemokratischer Entscheidungsfindung erweckt. Dabei ist klar, dass die Ergebnisse bereits verhandelt sind. Zwischendurch klopft man sich für die historische Leistung auf die Schulter und bedankt sich bei allen fleißigen Wahlkämpfer*innen.

Da nützt es auch nichts, wenn man gnädigerweise auf die Vorarbeit anderer hinweist. Denn auch da offenbart sich ein hierarchisches Politikverständnis. Einer wie der Sprecher musste erst kommen, um das ganze Protest-Kuddelmuddel so zusammenzusetzen, dass etwas Handfestes daraus wird. Ein Volksentscheid, der von dieser Denkweise geprägt wird, konnte nie ein Volksentscheid einer Bewegung sein.

Als Bewegung kann hier eine bunte Landschaft außerparlamentarischer stadt- und sozialpolitischer Initiativen gelten, die seit Jahren viel Wind rund um die Themen Wohnen, Verdrängung und städtische Armut machen – nicht immer zusammen, auch mal im Streit, aber dennoch aus einem gemeinsamen Verständnis heraus, von unten für eine andere Stadt zu kämpfen. Ein Volksentscheid hätte durchaus ein Projekt werden können, das so einer Bewegung Kraft und Mobilisierung verleiht. Er ist es aber nicht geworden. Wie seine Zukunft aussieht, hängt auch davon ab, ob innerhalb der Initiative ein Umdenken stattfindet.

Am Anfang waren Vertrauen und Versprechen

Dem Berliner Mietenvolksentscheid wurde von Anfang an viel Vertrauen und solidarische Kritik entgegengebracht. Wohl wissend, dass so ein Projekt große Auswirkungen auf alle Gruppen und Initiativen sowie auf den umkämpften Raum der Stadt haben kann, war der Tenor: Lasst sie mal machen, die machen das schon okay. Entgegengesetzt ließen die bewegungsnahen Mitglieder der Volksentscheid-Initiative wissen: Keine Panik, das ist ein Ding der Bewegung, uns geht es hier um mehr als bloße Gesetzesänderungen.

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Kotti&Co zum Mietenvolksentscheid: Unglaublich für Berlin – trotzdem nicht genug

Dieser Artikel ist eine Kopie von der Seite von Kotti&Co: Unglaublich für Berlin – trotzdem nicht genug.

Vor einem Jahr wurde die Initiative Mietenvolksentscheid gegründet. Sie erarbeitete ein Gesetz für einen Richtungswechsel in der Mieten- und Stadtentwicklungspolitik gegen die unsoziale Politik des SPD/CDU-Senats.

Die Erfahrungen jahrelanger, vielfältiger Proteste bildeten die Grundlage dieses „ersten Mietenvolkentscheides“, der – wie der Name deutlich macht – nur ein weiterer Schritt zum Richtungswechsel in der Stadtentwicklung Berlins sein kann.

Auch wenn der Senat nun auf den Druck durch den Mietenvolksentscheid reagiert hat, ist dieser Richtungswechsel aus unserer Sicht noch längst nicht erreicht. Wir erkennen darin aber einen Beitrag für die BestandsmieterInnen, denen nur durch Neubau nicht geholfen wäre.

Die Ziele des ersten Mietenvolksentscheids, die in vielen Arbeitsstunden unter komplizierten Auflagen nach dem Abstimmungsgesetz als Gesetzentwurf fixiert wurden, lauten:

  1. die landeseigenen Wohnungen im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen,
  2. einen Wohnraumförderfonds für den Erhalt und die Schaffung landeseigener Wohnungen einzurichten, und
  3. die Sozialmieterschaft vor Verdrängung zu retten.

Dass der Berliner Senat bereits nach der ersten Phase des Volksentscheids nachgibt und eben diese Themen in einem neuen Gesetz verankern will, hätten wir nicht erwartet. Dass die Fehler der Mietenpolitik im Wahljahr 2016 möglichst keine Rolle spielen sollen, haben die verantwortlichen Politiker dabei sicherlich einkalkuliert. Damit wird aber auch deutlich: eine neoliberale Haushaltspolitik, die Erspartes und Überschüsse für BER und Schuldentilgung einsetzt und einen Richtungswandel in der Wohnungspolitik als unbezahlbar einschätzt, kann von einer starken Zivilgesellschaft durchbrochen werden. Das ist ein großer Erfolg des Mietenvolksentscheids. Eine echte politische Trendwende steht allerdings immer noch aus:

Um Verdrängung wirklich aufzuhalten, muss viel mehr passieren. Auch das Gesetz des Mietenvolksentscheids war beschränkt und an beschwerliche Auflagen gebunden. Basisdemokratische Gesetzgebung ist durch rechtliche Hürden eingeengt. Die Bürger*innen haben nicht die gleichen gesetzgeberischen Möglichkeiten wie das Parlament. So dürfen nach dem Abstimmungsgesetz z.B. verschiedene Möglichkeiten, den Wohnungsmarkt zu regulieren, nicht in einem Gesetz verbunden oder „gekoppelt“ werden. Außerdem sind viele Mieterrechte auf Bundesebene geregelt, wo keine Volksentscheide zugelassen sind. Ein riesiges Problem sind die EU-Richtlinien, die eine Besserstellung von gemeinwohlorientierten Betrieben gegenüber profitorientierten verhindern.

Taktikspielchen wie die Zurückhaltung der juristischen Prüfung durch Henkels Innensenat, ob der Gesetzesentwurf des Mietenvolksentscheids überhaupt verfassungsrechtlich bedenklich ist, sind da noch gar nicht berücksichtigt.

Wir konnten wegen des Kopplungsverbots mit dem Gesetzesentwurf des Mietenvolksentscheids das strukturelle Problem der hohen Kostenmieten nicht angehen, welche die Berliner Regierungen den Eigentümer*nnen garantieren. Das könnten Senat oder Parlament machen – tun es aber bis heute nicht.

Stattdessen schlägt die SPD nun vor, dass Sozialmieten höchstens 30% des Einkommens verschlingen dürfen. Betriebskosten, Strom, Wasser, Gas zählt die SPD aber nicht dazu – für uns am Kotti bedeutet das nochmal 30% oben drauf! Bei einem Einkommen von 1.000 € lassen 600 € Miete nur ein Leben unter Hartz IV-Niveau zu. Auch für Menschen, die vom Jobcenter leben müssen, wird nur die Bruttokaltmiete übernommen! Das heißt Miete und kalte Betriebskosten. Warmwasser und Heizung sind in dieser Logik wohl entbehrlich.

Die SPD behauptet, es sei „gesellschaftlich akzeptiert“, dass Mieter 30 % ihres Einkommens für die Nettokaltmiete zahlen. Wenn jedoch selbst Berliner Gerichte in der Regel entscheiden, dass z.B. bei Mieterhöhungen nach Modernisierungen nur 30% des Einkommens für die Bruttowarmmiete verkraftbar sind, muss die Berliner Senatspolitik doch nicht absichtlich dahinter zurückfallen. Die SPD will vielmehr auf diesem Weg ihre unverbindliche Empfehlung aus dem „Mietenbündnis“ mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zum Gesetz und damit zur Richtschnur auch für andere Fälle erheben – ein Rückschritt für alle Mieter*innen.

Mieter*innen kennen nur eine Miete: die Bruttowarmmiete – denn das ist, was wir jeden Monat zahlen müssen. Daher halten wir es auch für einen Schritt in die richtige Richtung, dass die IBB nun gesetzlich dazu verpflichtet werden soll, die Zulässigkeit der Betriebskosten im Sozialen Wohnungsbau zu überprüfen. Ebenso wie Sozialverbände und Berliner Mieterverein fordern wir darüber hinaus, dass nach der Miete mehr zum Leben übrig bleiben muss. Mit der 30%-Regelung rutschen Geringverdienende jedoch aufgrund der hohen Sozialmieten oft weit unter Hartz VI-Niveau. Es braucht ein Instrument, das dies verhindert. Wenn der Senat sich dafür entschieden hätte, die zulässigen Mieten im Sozialen Wohnungsbau und die Gewinne der EigentümerInnen gesetzlich zu deckeln, könnte er nicht nur sparen, sondern die Verdrängung der Sozialmieter*innen wirksamer bekämpfen.

Nach wie vor brauchen wir also:

  • einen Mieterhöhungs-Stopp
  • eine Senkung der Mieten, damit niemand mehr verdrängt wird
  • eine Rekommunalisierung der privatisierten Sozialwohnungen

Unsere endgültige Bewertung des Senatsangebots werden wir als Kotti&Co an der Umsetzung dieser Ziele messen. Wir erwarten, dass sich Berufspolitiker*innen und die Berliner Verwaltung ernsthaft dafür einsetzen und direkte Demokratie wie das Volksbegehren nicht torpedieren.

Wer jetzt über „Einigung“ oder „Kompromiss“ spricht, lebt in der Parallelwelt des parlamentarischen Betriebs. Die Haltung der Initiative Mietenvolksentscheid war von Anfang an, mit allen zu reden – auch mit der SPD. Unter der Drohung, dass der eigene Gesetzesentwurf vor dem Verfassungsgericht landen werde, ging es in den Gesprächen darum, so wie wie möglich die Inhalte des Mietenvolksentscheids zu vermitteln. Der nun von der SPD vorgelegte Gesetzesentwurf unterliegt deshalb auch bis nach der Verabschiedung einem Gesamtvorbehalt. Jetzt sehen wir, dass für viele Sozialmieter*innen, die flächensparsam leben, die Miete immer noch erhöht werden kann. Auch ist für Mieter*innen mit Einkommen unter 1.000 € eine Kaltmietenbelastung von 30% noch viel zu viel.

Wir haben seit Jahren hart gekämpft, dass diese Verarmung der Mieter*innen aufgehalten wird – jetzt liegt der Ball im Parlament, diese Augenwischerei zu verhindern und ein Gesetz daraus zu machen, das wirklich vor Verdrängung schützt.

Wenn die Oppositionspartei der Grünen jetzt vorschnell der SPD zum Erfolg gratuliert, tut sie das im Wissen, dass für die Sozialmieter*innen kaum eine Verbesserung, geschweige denn ein grundsätzlicher Kurswechsel im sozialen Wohnungsbaubestand drin ist. Vor den Problemen Schlechtverdienender die Augen zu verschließen, um sich „regierungsfähig“ zu machen, steigert für uns jedenfalls nicht die Wählbarkeit von Parteien.

Wenn sie wirklich parlamentarische Arbeit machen wollen, dann braucht es jetzt Änderungsanträge. Für den sozialen Wohnungsbau wären das:

  • Maximal 30 % Bruttowarmmietbelastung für Geringverdiener*innen
  • keine Begrenzung der Förderung auf 2,50 € / qm
  • Eigentümerbeteiligung an der Mietsenkung
  • Überprüfung der Kostenmieten

Nicht nur das Parlament, sondern auch und vor allem zivilgesellschaftliche und basisdemokratische Initiativen sind gefragt, zu überprüfen, ob das Senatsangebot ausreichend ist, um Verdrängung aufzuhalten.

Der Wahlkampf beginnt – wir werden gemeinsam mit anderen Initiativen Prüfsteine aufstellen und uns einmischen. Die Augen vor wachsender, krasser Verarmung großer Teile der Berliner*innen zu verschließen, wird keiner Partei etwas nützen.

Zur Debattenseite:

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Analyse statt Meinungsmache

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Folgender Beitrag wurde als „Eine wohlmeinende Polemik über den Versuch eine Debatte über den Mietenvolksentscheid zu beginnen“ zuerst auf trend-onlinezeitung veröffentlicht, er ist Reaktion auf den Beitrag „Der „Mietenvolksentscheid“ – Chance vertan!“ mit dem wir die erwähnte Debatte um den Mietenvolksentscheid auf wirbleibenalle.org angefangen haben.

Analyse statt Meinungsmache

von Karl-Heinz Schubert

Angesichts des Scheiterns des Mietenvolksentscheids (MVE) in Berlin will das Bündnis „Gemeinsam gegen Sozialabbau, Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt“ ab sofort seine Internetpräsenz dafür nutzen, dass „bewegungsöffentliche Debatten über das, was jeden Tag an Protest, Aktionen und politischer Arbeit passiert“ in Gang kommen. Ein von einem wohnungspolitischen Duo namens „Paul&Paula“ verfasster „Diskussionsbeitrag“ mit dem Titel „Der ‚Mietenvolksentscheid‘ – Chance vertan!“ soll nun jene Debatte anschieben. Zeitgleich wurde ihr Beitrag bei linksunten.indymedia.org. veröffentlicht. Wir dokumentieren den Beitrag von Paul&Paula in dieser Ausgabe.

Limitierte Denke

Als MVE-Aktivivist*innen, die sich von der Kampagne mehr versprochen haben, räumen Paul&Paula nach den Geheimverhandlungen zwischen MVEler*innen und Senat ernüchtert ein:

„Von der eingereichten Vorlage und den Vorstellungen aus der Anfangszeit ist nach den Verhandlungen nur noch ein Torso übrig geblieben.“

Dass das Verhandlungsergebnis, das demnächst als Gesetz das Berliner Abgeordnetenhaus passieren wird, stattdessen eine inhaltlich konsequente Umsetzung des Patchwork-Gesetzentwurfs der MVEler*innen ist, blicken Paul&Paula einfach nicht. Doch dazu weiter unten.

Ganz offensichtlich ist das Duo von der MVE-Kampagne tief enttäuscht – wie der Untertitel von der vertanen Chance belegt. Aus seinem Herzen will es nun keine Mördergrube mehr machen, indem es schlicht erzählt, wie es die Kampagne erlebt hat und was ihm daran nicht gefiel. Bevor Paul&Paula damit loslegen, verkünden sie jedoch erst einmal ein für sie essentielles politisches Credo:

Volksentscheide sind per se dem bestehenden System verhaftet und können als solche die Bedingungen der kapitalistischen Verwertung von Wohnungen als Ware nicht verändern.“ (Unterstreichung von mir)

Dass Volksentscheide dem bestehenden System verhaftet sind, ist eine tautologische Binsenweisheit. Denn was wären sie sonst, wenn sie nicht Teil bürgerlich-kapitalistischer Klassenherrschaft wären? Von daher erscheint diese Mitteilung überflüssig. Allerdings braucht das Duo diese Phrase, um dem zweiten Teil des Satzes ein wenig Sinn einzuhauchen. Und das gelingt ihm leider nicht. Denn die Bedingungen der kapitalistischen Verwertung – also auch von Wohnungen – sind beständig in Veränderung. Oder glauben Paul&Paula etwa, dass der jetzige Gesetzentwurf bei den Sozialbauten nicht die Proportionen zwischen Mietpreisen und Renditen verschiebt? Fragt sich nur zu wessen Gunsten.

Was sich im Kapitalismus sehr wohl nicht verändert – auch nicht durch Gesetze , ist die Verwertung des Kapitals d.h. seine Selbstverwertung:

„In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung …. Als das übergreifende Subjekt eines solchen Prozesses, worin er Geldform und Warenform bald annimmt, bald abstreift, sich aber in diesem Wechsel erhält und ausreckt, bedarf der Wert vor allem einer selbständigen Form, wodurch seine Identität mit sich selbst konstatiert wird. Und diese Form besitzt er nur im Gelde. Dies bildet daher Ausgangspunkt und Schlußpunkt jedes Verwertungsprozesses …. Der Wert wird also prozessierender Wert, prozessierendes Geld und als solches Kapital. Er kommt aus der Zirkulation her, geht wieder in sie ein, erhält und vervielfältigt sich in ihr, kehrt vergrößert aus ihr zurück und beginnt denselben Kreislauf stets wieder von neuem.“ (MEW 23, S.169f)

Schlussendlich gilt dies selbstverständlich auch für die Verwertung der Immobilie als Leihkapital in Warenform.

Hätten Paul&Paula nämlich mit ihrem Märchen von den unveränderbaren Bedingungen der Verwertung recht, dann wären soziale Kämpfe, die auf Verrechtlichung bestimmter durchgesetzter Beschneidungen der Profitmasse bzw. der Rendite abzielen, völlig sinnlos. Tatsächlich aber musste das Proletariat in seiner Geschichte fortwährend Kämpfe um seine Lohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen führen. Verrechtlichungen, wie sie z.B. durch den monatelangen Massenstreik der BRD-Metallarbeiter*innen 1956 in Schleswig-Holstein erkämpft wurden, der zum Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall führte, verändern ganz praktisch die Bedingungen des sich verwertenden Kapitals. Das Gleiche gilt für das Recht im Reproduktionsbereich, wenn z.B. in Zeiten der Wohnungsnot von der kämpfenden proletarischen Klasse Formen von kommunalem Wohnungsbau wie im „Roten Wien“ durchgesetzt werden. Solche Verbesserungen, selten genug in der Geschichte der Klassenkämpfe auf Dauer durchgesetzt, verändern natürlich den Anteil am Profit bzw. an der Rendite.

Dass die Kapitalist*innenklasse solche für sie negativen Verrechtlichungen rückgängig machen wollte und will, was ihr immer dann gelingt, wenn das Proletariat als Klasse schwach aufgestellt ist, liegt auf der Hand. Was solche ökonomischen Kämpfe nicht bewirken, ist die Aufhebung des Kapitalismus, doch das ist auch nicht ihr Gegenstand.

Ärgerlich wird die Sache allerdings, wenn das Duo, dass zu solchen Differenzierungen nicht fähig oder nicht willens ist, meint, die DKP oder mich als Dummbeutel abwatschen zu müssen, weil wir angeblich bei der MVE-Kampagne die Forderung nach Aufhebung der Wohnung als Ware vermissen:

„Insofern ist die von der orthodoxen Linken der DKP oder von Karl-Heinz Schubert in trend-online geäußerte Kritik an dem Gesetzentwurf des Vereins, die gerade dieses in letzter Konsequenz von einem solchen Entscheid fordern, wahlweise dämlich oder grober Unfug.“

Ein Link auf den ersten Teil meiner dreiteiligen Kritik sollte dieser Fehldeutung mal eben die Würde der Richtigkeit verleihen. Auch das ist ein Eigentor. Im ersten Teil befasse ich mich überhaupt nicht mit der Frage, ob die MVE-Kampagne eine gesellschaftstransformative Stoßrichtung hat. Dies tue ich am Ende des zweiten Teils und in meinen Vorträgen.

Hier das diesbezügliche Substrat aus meinem Vortrag:

„Dass der MVE mit diesem Gesetzentwurf (GE) „überflüssig“ ist, ist nicht Gegenstand des Vortrags.  Vielmehr soll aufgezeigt, dass es sich hier um ein „falsches Herangehen“ an die Wohnungsfrage handelt, da die Immobile nicht als Leihkapital in Warenform verstanden und behandelt wird.  Das würde nämlich heißen, bereits unter kapitalistischen Bedingungen zu versuchen, die Profitmacherei mit  Immobilien bei ihrer Produktion und Verteilung durch außerökonomische Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen, Kontrollstrukturen) zu limitieren.

Eine sozialemanzipatorische Alternative zur Eindämmung der Wohnungsnot im Kapitalismus, die eine gesetzliche Regulierung anstrebt,  sollte  sich aus der verfassungsrechtlich fixierten Sozialbindung des Eigentums ableiten. Damit stellt sie das verfassungsrechtliche  Individualrecht auf Wohnraum über das Mietvertragsrecht des BGB.

Dadurch wird Wohnen als unwiderrufliches Nutzungrecht gesetzt, welches der Forderung „Die Häuser, denen die drin wohnen“ eine antikapitalistische Perspektive gibt und einem entsprechenden Volksbegehren die sozialpolitischen Leitplanken liefert.

Bleibt nur noch anzumerken, dass es angesichts Paul&Paulas limitierter Denke nicht verwunderlich ist, dass ich von ihnen mit der DKP in einen Topf geschmissen werde, nur weil wir im Resultat unserer Untersuchungen DIESEN Volksentscheid wegen seines Gesetzentwurfs ablehnen. Das DKP-Konzept der antimonopolistischen Demokratie, das auf bis heute fortgeschriebenen Fehlinterpretationen von Klassenstrukturen der 1970er Jahre beruht und damit ein staatsfetischistisches Sozialismuskonzept als transformatives Ziel begründet, ist wahrlich nicht „meine Welt“.

Denunziatorische Mutmaßungen

Um dem politischen Frust ein Ventil zu geben, führt die von Paul&Paula gewählte narrative Aufarbeitungsmethode unvermeidbar zu willkürlichen „Ex-ärmelo-Deutungen“:

„Es bewahrheitet sich damit eine alte Weisheit: Initiativen, die sich auf die Verhandlung von Gesetzen einlassen, können nur verlieren. Insbesondere dann, wenn sie angesichts einer verlockenden Anerkennung durch die Regierenden nichts dafür tun, dass der Druck auf der Straße verstärkt oder auch nur aufrechterhalten wird.“

Indem sich Paul&Paula kollektives politisches Handeln wahrscheinlich nur als temporäre Addition individueller Interessen vorstellen können, können sie die Übereinstimmung in der Sache zwischen dem führenden Personal der MVE-Kampagne (Linkspartei und Grüne) und dem Berliner Senat auch nicht auf die Sache (neoliberales Krisenlösungsangebot) selbst zurückführen, sondern nur auf mangelnde charakterliche Eignung des Kampagnenpersonals.

Zu allem Überfluss endet ihre Darbietung auch noch mit einer unterstellten Karrieregeilheit:

„Der Entscheid ist politisch gescheitert. Das Märchen wird nicht gut ausgehen. Aber vielleicht reicht es für den persönlichen Karriereschub von einzelnen Vertreter*innen.“

Die Reduktion der Gründe des Scheiterns der Kampagne auf miese Charaktereigenschaften wird von Paul&Paula mit dem inhaltsleeren Bild von einer Kampagnendemokratie „von unten“ komplettiert, die jenes charakterlose MVE-Personal zielstrebig torpedierte:

Die ersten Gespräche mit dem Staatssekretär der SPD und Mitarbeiter*innen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung fanden noch öffentlich statt, die weiteren wurden mit einzelnen Vertreter*innen des „KO-Kreises“ hinter verschlossenen Türen geführt. Was dann folgte, war eine Verletzung von basisdemokratischen Spielregeln sondergleichen.

Diese denunziatorischen Mutmaßungen sind zwar kompatibel zum Alltagsbewußtsein, wo es bekanntlich heißt „es gibt immer solche und solche“ und „man muss mit allem rechnen“, politisch stellen sie aber eine Bankrotterklärung dar. Sie zeigen, dass das Duo völlig desinteressiert an den Inhalten der Kampagne war und ist, wie sie sich im MVE-Gesetzentwurf (GE) darstellten. Weder ein Argument  zu den „Kröten“ des GE, die Linke nur ablehnen konnten, noch eine Sachkritik am GE als ein Beitrag zur „Reform“ neoliberalistische Verwertungsstrukturen fallen Paul&Paula ein. Darüber täuscht auch nicht ihre substanzlose Aufzählung unerfüllter Teilforderungen hinweg, die im GE nicht enthalten sind.

Vielleicht wurde Paul&Paulas Desinteresse an einer inhaltlich Klärung ja auch dadurch befördert, dass die geplante Debattenplattform eine sein soll, die sich vornehmlich mit Bewegungfragen befasst. Dann dürfte es auf dieser Plattform wohl langweilig werden. Siehe dazu den ersten Debatten-Kommentar bei linksunten.indymedia, wo es darum geht, im Anschluss an Paul&Paula die IL-Genoss*innen wegen ihres hinterhältigen Charakters zu dissen, statt die Auseinandersetzung mit ihren wohnungspolitischen Zielen zu führen:

„Eine breite Kampagne wäre sicher möglich gewesen, wenn der Endscheid von Beginn an transparent, öffentlich und basisdemokratisch entwickelt worden wäre. Doch das war von den karrierebewussten Bewegungsmanager*innen von IL und Co und den zuständigen „Expert*innen“ nie gewollt.“

Über den zentralen Fehler der MVE-Kampagne

Nun ist es aber gemeinhin so, dass vor der Form der Inhalt gesetzt ist, der der Form Spezifik und Konturen verleiht, welche im politischen Prozess dialektisch auf den Inhalt zurückwirken. Wo allerdings ein Inhalt nur solange als ein Inhalt gilt, wie er mit dem individuellen Interesse übereinstimmt – so zumindest bei der sozialen Figur der bürgerlichen Monade – kommt die kollektive Erarbeitung des politischen Inhalts einer Kampagne auf zuvor beschlossenen, gemeinsamen politischen Grundlagen als zentrale Aufgabe gar nicht in den Sinn.

Meines Erachtens wird das sachnahe Verständnis des dialektischen Zusammenhangs von Form und Inhalt die Schlüsselrolle bei der Aufarbeitung der MVE-Kampagne bilden, und zwar gerade dann, wenn es um die Rekonstruktion einer außerparlamentarischen und sozialemanzipatorischen Bewegung gegen Wohnungsnot und Mietpreistreiberei geht. Oder anders ausgedrückt: Von transformativen Zielen geprägte soziale Kämpfe kommen an dem richtigen Handling des dialektischen Dreischritts von Kämpfen-Untersuchen-Organisieren nicht vorbei.

Abgesehen von dem überlebten maoistischen Volksbegriff und einem 1920er-Jahre-Parteikonzept liefert in dieser Ausgabe die Bethanienbroschüre ein anschauliches Lehrbeispiel dafür, wie die drei Elemente Kämpfen-Untersuchen-Organisieren miteinander verbunden und angewandt wurden. Ausgangspunkt der Kampagne „Für ein Kinderpoliklinik ins Bethanien“ bildete eine Untersuchung über die mangelhafte Krankenversorgung. Dies war keine akademische Schreibtischarbeit, sondern stützte sich vor allem auf die Erfahrungen aus vorherigen Stadtteilkämpfen. Ihre Auswertung war das kollektive Produkt der Aktivist*innen dieser Kämpfe. Damit wurde von ihnen die Voraussetzung geschaffen, die zentralen Forderungen programmatisch-inhaltlich abzusichern und den Kampf dafür aufzunehmen.

Auf den ersten Blick erscheint die Bethanienkampagne als reine Einpunkt-Sammelbewegung wie die MVE-Kampagne auch. Doch der qualitative Unterschied zeigt sich allein schon am sozialistischen Grundkonsens der aus verschiedenen Organisationen und Gruppen stammenden Bethanien-Aktivist*innen. Weder diesen noch einen anderen politisch-transformativen Grundkonsens gab es bei der MVE-Kampagne und bei den davor gelaufenen Volksbegehren (Tempelhofer Feld, Wasserverträge usw.).

Um überhaupt (wieder) auf dem Feld der Wohnungspolitik politisch kohärent intervenieren zu können und dabei eine Bündnisfähigkeit zu entwickeln, ohne in die neoliberalistische Mitmachfalle zu tappen, werden die Stadtteilaktivist*innen heute nicht umhinkommen, in einem kollektiven Diskurs einen systemtransformativen Konsens ihrer Wohnungspolitik programmatisch zu formulieren. Sollte jedoch im Aufarbeitungsdiskurs wohlfeile Meinungsmache à la Paul&Paula weiterhin den Mainstream anstelle von Analysearbeit bilden, dann sehe ich schwarz für eine antikapitalistische Wohnungspolitik, die ihre ökonomischen Leitplanken aus dem Klasseninteresse des Proletariats ableitet: Expropriation der Expropriateure.

Und – diese Analysekompetenz wird es ohne theoretische Mühen (Untersuchung, Schulung, Bildung, Arbeit am Begriff) nicht geben!

An Stelle eines Nachworts:

Die Städte und Gemeinden suchen händeringend nach Unterkünften für Flüchtlinge. Und weil ungewöhnliche Zeiten ungewöhnliche Maßnahmen erfordern, hatten findige Beamte in Berlin eine Idee: Das Gesetz besagt, dass der Staat Gebäude beschlagnahmen kann, wenn Sicherheit und Ordnung gefährdet sind..Beschlagnahmt wurde ein zehnstöckiges früheres Bankgebäude im Stadtteil Wilmersdorf, formal war es Teil der Konkursmasse der Hypo Real Estate. In Kürze soll es die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Stadt sein, die Erstaufnahmestelle.“ (Deutschlandfunk vom 10.9.2015)

„Die Registrierung der Flüchtlinge erfolgt in einer neuen, sogenannten „Bearbeitungsstraße“ in der Moabiter Kruppstraße. Dort erhalten die Angekommenen Papiere und Krankenscheine. Wie schon zuvor, wollen sich einige gar nicht in Berlin registrieren lassen, weil sie zu Verwandten beispielsweise in Hamburg oder Schweden weiterreisen wollen. Die meisten werden aber voraussichtlich hierbleiben. Um sie unterzubringen, wollen die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg das Bezirksamt auffordern zu prüfen, ob auch leerstehende Privatwohnungen beschlagnahmt werden können, um sie als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Konkret haben die Grünen das Areal Riehmers Hofgarten im Auge. Dort stünden viele Wohnungen seit Jahren aus Spekulationsgründen leer, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende in der BVV, Paula Riester, am Sonntag. „Wir brauchen mehr Wohnraum für Flüchtlinge“, sagte Riester. „Und es ist besser, sie in Wohnungen als in Turnhallen unterzubringen.“ Rechtlich sieht sie kein Problem. Das Land sei gesetzlich verpflichtet, Obdachlosigkeit zu verhindern. Ob der Zustand der Wohnungen in Riehmers Hofgarten eine Belegung mit Flüchtlingen zulässt, müsse das Bezirksamt allerdings erst prüfen. Die Beschlagnahme von Privatwohnungen hatte vergangene Woche auch die Linken-Politikerin Heidi Knake-Werner in der Berliner Zeitung gefordert.“ (Berliner Zeitung vom 21.9.2015)

Zur Debatte:

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Druck wirkt, aber etwas fehlt – Eine erste Stellungnahme zum Mietengesetz der SPD

Dieser Artikel ist eine Kopie eines Beitrags vom 21.08.2015 der Stadt-AG der Interventionistischen Linken im Original ist er unter http://www.interventionistische-linke.org/ zu finden.

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Glatteis oder Stadtidylle? (Bild: wikimedia.commons)

Die Ereignisse überschlagen sich: Im Mai hieß es, die Forderungen des Berliner Mietenvolksentscheid würden nicht verhandelt. Den ganzen Sommer über galten Sondierungen zwischen Senat, SPD und Mietenvolksentscheid-Initiative als unverbindliche „Gespräche“, doch am 19. August wurde dann ein „Kompromiss“ verkündet. Die SPD legte ein eigenes Mietengesetz vor, dass den Volksentscheid ersetzen soll, und sogar die CDU twittert Zustimmung. Am liebsten hätte der Senat, dass der Volksentscheid nun abgesagt wird. Die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen müssen jetzt entscheiden, wie es weitergeht. Während Forderungen nach Sozialwohngeld und öffentlichem Wohnungsbau übernommen wurden, gibt es im SPD-Entwurf weder Demokratisierung noch reale Mitbestimmung für Mieterinnen und Mieter. Der Staat, so das Signal, behält die volle Kontrolle über die Immobiliengeschäfte des Landes.

Die Interventionistische Linke Berlin ist von Anfang an am Mietenvolksentscheid beteiligt und hat sich dort, nicht immer erfolgreich, für eine Kontrolle der Wohnungsunternehmen vor allem durch Mieterinnen und Mieter und die Angestellten der Unternehmen eingesetzt.

Sozialwohngeld und Wohnungsbau – Zugeständnisse im Gesetzesentwurf der SPD

Durch Äußerungen von Senatspolitikern wurden am 19. August Grundlinien des offiziell noch vertraulichen Mietengesetzes öffentlich, am selben Tag gab es öffentliche Pressekonferenzen dazu. Das Gesetz übernimmt die Forderung der Initiative Mietenvolksentscheid nach Einführung eines Sozialwohngeld für den alten sozialen Wohnungsbau, wo durch alte Knebelverträge jährliche Mieterhöhungen möglich sind – denn die geförderten Wohnungen sind Privatbesitz, obwohl sie mit öffentlichen Geldern errichtet wurden. „Mit dieser öffentlichen Subvention werden die Nettokaltmieten in Sozial- und Kommunalwohnungen auf 30 Prozent des Nettoeinkommens der Mieter begrenzt. Diese Subjektförderung kommt auch Mietern von Wohnungen zugute, deren Anschlussförderung gestrichen worden ist“ berichtet der Tagesspiegel. Dies käme Initiativen wie „Kotti und Co“ entgegen, die sich gegen die Vertreibung von Mieterinnen und Mietern aus Sozialwohnungen des alten sozialen Wohnungsbau einsetzen. Wie hoch das neue Wohngeld ist, wie viele Menschen profitieren, wie bürokratisch und gegebenenfalls ausschließend das Antragsverfahren ist, bleibt im Moment noch unklar.
Zukunftsweisender als die Mietzuschüsse, die Fehler des alten sozialen Wohnungsbaus und seiner korruptionsanfälligen Staatszahlungen für private Bauherren abmildern, ist die Forderung nach einem neuen landeseigenen Wohnungsbau. Die Initiative forderte dazu die Umwandlung aller sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts – eine Rechtsform ohne Gewinnzwang und mit Gemeinwohlorientierung. Diesen Anstalten sollten nicht nur alle Mieteinnahmen ihrer Bestände, sondern auch eine ganze Reihe von Bundesfördermitteln aus dem Landeshaushalt zum Bau und Ankauf neuer Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel wären per Gesetz permanent gebunden – eine Zweckentfremdung für Haushaltslöcher sollte verhindert werden. Im Entwurf versprochen ist nun genau die Einrichtung eines solchen Fonds zum Wohnungsbau. Dies bedeutet einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik: statt Privatisierungen kauft und baut Berlin Wohnungen, die dauerhaft in öffentlichem Besitz bleiben. Die Nettokaltmieten in diesen landeseigenen Wohnungen sollen für Geringverdienende auf Antrag auf 30% des Haushaltseinkommens begrenzt werden; insgesamt sollen die Mietsteigerungen sich in Grenzen halten. Im kommunalen Wohnungsbau werden Zwangsräumungen nicht verboten, aber erschwert, im drohenden Räumungsfall muss eine Ersatzwohnung angeboten werden. Für Wohnungssuchende soll ein fehlender Bonitätsnachweis (Schufa-Auskunft) nicht mehr der „einzige“ Grund für eine Ablehnung sein – ob das im Einzelfall die tatsächliche Ablehnung verhindert, scheint jedoch fraglich. Inwieweit diese und andere Ankündigungen halten, was sie versprechen, muss überprüft werden, wenn der Gesetzesentwurf im Wortlaut veröffentlicht ist.

Mieterräte ohne Mandat

Nicht umgesetzt wird im Entwurf der SPD die Forderung nach einer öffentlich-rechtlichen Form der Wohnungsgesellschaften – sie bleiben GmbH´s und Aktiengesellschaften, lediglich eine Dachorganisation soll als „Anstalt öffentlichen Rechts“ eingerichtet werden.
Ein weitergehendes Problem ist die Beteiligung der Mieterinnen und Mieter – es gibt zwar neue „Mieterräte“, aber diese haben nur das Recht auf Information und Stellungnahme. Kein Vetorecht, keine Mitbestimmung. Zwar dürfen die neuen Räte laut Tagesspiegel „jeweils zwei Vertreter (einer als Gast) in die Kontrollgremien der Unternehmen schicken“ – aber damit haben die Mieterinnen und Mieter nur eine einzige Stimme in den Aufsichtsräten der öffentlichen Wohnungsbauunternehmen. Selbst wenn diese Person zusammen mit dem „Gast“ konsequent die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vertritt, hat sie in ihrer Minderheitenrolle keine Chance, die Geschäfte der Unternehmen real zu beeinflussen. Die Mitgestaltung beschränkt sich faktisch auf ein Informationsrecht – das schafft unter günstigen Umständen Transparenz gegen Skandale, aber auch dies nur wenn Vertretung und „Gast“ sich nicht vereinnahmen lassen. Eine ernstzunehmende Mitbestimmung oder gar Demokratisierung ist dies nicht, eher im Gegenteil: die abhängige Rolle der Mieterinnen und Mieter wird festgeschrieben.

Verstaatlichung statt Vergesellschaftung

Die Essenz des SPD Entwurfes besteht also aus der Kombination von  sozialen Zugeständnissen, aber einer Absage an jede Demokratisierung. Der Mietenvolksentscheid hat – zumindest im Entwurf – erreicht, was vor einem Jahr unmöglich schien: eine Notbremse gegen Vertreibung im alten sozialen Wohnungsbau und den Neuaufbau eines neuen, öffentlichen und sozialen Wohnungsbestandes. Vorausgesetzt, der Entwurf hält was er verspricht, wird ein solches Programm das Gesicht Berlins verändern.
Doch der Preis für diesen Kurswechsel ist hoch: die Hoffnung, die mit dem Mietenvolksentscheid in eine neue Stufe gestartete soziale Bewegung der Mieterinnen und Mieter könne dauerhaften Einfluss auf die Wohnungspolitik der Stadt nehmen, wird mit dem SPD-Entwurf aufgegeben. Er ist eine Verstaatlichung und eben keine Vergesellschaftung: alle Unternehmen bleiben in Kontrolle der Senatsbürokratie, Mieterinnen haben sozialen Schutz und Informationsrecht, aber keinen Einfluss auf die Geschäfte. Es fehlt damit die Möglichkeit, den berühmten Berliner Baufilz durch reale Kontrolle von unten im Zaum zu halten.
Diese Kombination aus sozialem Zugeständnis bei voller staatlicher Kontrolle, ohne Eingriffe in den Privaten Immobilienmarkt liegt in der Logik eines Staates, der das Privateigentum sichert und den Einfluss sozialer Bewegungen auf Eigentumsverhältnise um jeden Preis beschränken will. In Form von Staatseigentum, im SPD-Entwurf sogar in privater Rechtsform, sind öffentliche Wohnungsbestände als Korrektiv in einem versagenden Markt machbar. Mit-Bestimmung, geschweige denn ein Infragestellen des Eigentumsprivilegs soll auf jeden Fall verhindert werden. Dies sichert gleichzeitig das Monopol von Parteien und Senatsbürokratie über das politische Feld.

Wie weiter? Alle Macht den Räten!

Erste Priorität muss sein, dass der SPD-Entwurf nicht vorschnell hingenommen, sondern mit allen Aktiven breiter diskutiert wird. Dies zeichnet sich gerade ab; bisher gibt es keine ausdrückliche Erklärung zur Annahme durch das Bündnis. Vielmehr soll ausgiebig auch zusammen mit anderen Initiativen geprüft werden, wie weit der Entwurf wirklich geht und welche Hintertüren er offen hält. Dennoch setzt die Presse Fakten, indem der Entwurf bereits jetzt als „Kompromiss“ dargestellt wird. Diese Darstellung kommt nicht von ungefähr, denn statt der angekündigten tiefergehenden „Gespräche“ wurde in den letzten Tagen mit der SPD über Inhalte verhandelt, was zur stillen Aufgabe von Forderungen führte. Eine Gefahr, vor der wir in unserer letzten Erklärung warnten.
Einerseits setzte unser Mietenbündnis die SPD mit dem Volksentscheid massiv unter Druck, da sie Angst vor einem Mietenvolksentscheid während des Wahlkampfes 2016 hatte – Andererseits setzte die SPD alles daran, auch auf das Bündnis Druck aufzubauen. Den Hebel dafür lieferte eine Kombination aus Gesetzen und Rechtssprechung. Diese machten die Regelungen zu Anstalten öffentlichen Rechts im ursprünglichen Gesetz der Initiative gerichtlich angreifbar. Eine nachdrückliche Korrektur wurde gleichzeitig verboten. Die angreifbare Regelung in Kombination mit dem Korrekturverbot machten die Drohung, den Volksentscheid vor dem Landesverfassungsgericht scheitern zu lassen, plötzlich plausibel.

Es ist in dieser Situation unbedingt notwendig, den Volksentscheid aufrechtzuerhalten als Druckmittel – sobald er abgesagt wird, gibt es keine Garantie mehr, dass überhaupt irgendetwas umgesetzt wird. Mit diesem Druckmittel in der Hinterhand muss die Debatte um den SPD-Entwurf schnell in die Offensive gehen.
Kernforderung muss sein: Die vorgesehenen „Mieterräte“ brauchen mehr Rechte. Ein Gast und eine Stimme in den Verwaltungsräten der Wohnungsbaugesellschaften sind nicht genug. Nur, wenn die Mieterinnen und Mieter eine echte Selbstverwaltung erhalten, können die staatlichen Wohnungsgesellschaften von ihren Nutzerinnen und Nutzern auch kontrolliert werden. Daran hängt auch Umsetzung der sozialen Ziele des Gesetzes: ohne Druck durch starke Räte von Mieterinnen und Mietern gibt es keine Kontrolle, ob die Vorgaben zur Vermeidung von Zwangsräumungen und zur Mietreduktion für Geringverdienende auch umgesetzt werden.
Den Mietenwahnsinn verursacht durch die Politik der SPD, die das Stadtressort seit 1999 leitet, wird der jetzige Gesetzesentwurf der Sozialdemokraten nicht stoppen. Hier darf auch in Zukunft kein falsches Vertrauen entstehen, Mediaspree sitzt da noch tief in den Knochen, es heißt also: weiter kämpfen!

Zur Debattenseite:

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Veröffentlicht unter Mieten, Mietenvolksentscheid, MV-Debatte | Verschlagwortet mit , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Druck wirkt, aber etwas fehlt – Eine erste Stellungnahme zum Mietengesetz der SPD

Erfolg oder Mitmachfalle? Gespräche über den Berliner Mietenvolksentscheid

Dieser Artikel ist eine Kopie eines Beitrags vom 14.08.2015 der Stadt-AG der Interventionistischen Linken im Original ist er unter http://www.interventionistische-linke.org/ zu finden.

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Überholspur oder Einbahnstrasse – Wohin führt der Weg des Berliner Mietenvolksentscheids?

Selten hat eine Initiative in so kurzer Zeit für so viel Wirbel gesorgt wie der Berliner Mietenvolksentscheid. Allen voran die SPD bekommt Angst und will auf die Initiative zugehen, Teile der Partei lassen sogar verlauten, das Gesetz im Wesentlichen übernehmen zu wollen. Neben Lob gibt es jedoch auch Drohungen – der Senat will das Gesetz dem Landesverfassungsgericht zur „Prüfung“ übergeben. Ziel ist mindestens eine Verzögerung, vielleicht ein Scheitern des Gesetzesentwurfs. Nachbesserungen, die rechtlich problematische Teile des Gesetzes ändern könnten, hat die Landeswahlleitung bereits ausgeschlossen. In dieser Situation finden nun zwischen Senat, SPD und Mietenvolksentscheid-Initiative Gespräche statt. Der Ausgang ist ungewiss: Der Volksentscheid hat den Senat zum Handeln gezwungen und Druck aufgebaut für eine Wende in der Wohnungspolitik. Der Senat wiederum hat in den letzten Wochen versucht, mit der Drohung einer Verfassungsklage wieder Oberwasser zu gewinnen und Druck auszuüben, um die Forderungen des Gesetzesentwurfs aufzuweichen. Die offenen Gespräche drohen, zu Verhandlungen über Inhalte zu werden. Nun ist die Bewegung gefragt: die Gespräche dürfen nicht im Sommerloch vergessen werden, sondern brauchen Druck von außen.

Wohnungspolitik unter Druck

Innerhalb sieben Wochen ist es dem Berliner Mietenvolksentscheid gelungen fast 50.000 Unterschriften zu sammeln. Das ist eine deutlich Botschaft und es ist klar, dass es dabei nicht nur um den Gesetzesentwurf der Initiative geht, sondern um die Forderung nach einer grundsätzlich anderen Stadtpolitik, die nicht in erster Linie für Geschäftsinteressen der privaten Wirtschaft gedacht ist.
Nachdem die Regierungsparteien am Anfang vor allem mit der Beschimpfung direkter Demokratie, mit absurden Horrorszenarien, falschen Vorwürfen und Drohungen reagiert haben, scheinen Teile des Senats nun davon überzeugt zu sein, dass es besser sei, die Vorschläge des Volksentscheids zumindest in Teilen umzusetzen, um dann die Ergebnisse für sich zu reklamieren. Anstatt im Wahljahr 2016 gegen eine Volksentscheid-Bewegung anzutreten, will man sich als Partei der Mieterinnen und Mieter profilieren.
Klar ist, dass diese Situation durch die Bewegung erzwungen wurde: am liebsten hätten die Regierenden den Volksentscheid ignoriert oder diskreditiert. Dies ist nun nicht mehr möglich, daher wird vor allem von der SPD versucht, zu verhandeln. Während Vertreterinnen und Vertreter des Berliner Senates mit der Initiative Mietenvolksentscheid sprachen und bei der Haushaltsplanungen erste Maßnahmen trafen, wollte die SPD Fraktion ein Extra-Gespräch. Hier zeigen sich die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Regierungsblocks. Die schwarz-Rote Koalition, und auch die SPD intern sind sich nicht einig, ob und welche Zugeständnisse nötig sind.
Innerhalb weniger Monate hat die Initiative also erreicht, was jahrelang ausgeschlossen wurde: der Berliner Senat diskutiert ernsthaft über den Neuaufbau wirklich sozialer öffentlicher Wohnungsbestände.

Viel zu leicht integrierbar?

Auf der anderen Seite können die Regierenden nur deshalb die Option der wesentlichen Übernahme des Gesetzes ins Auge fassen, weil es leider noch nicht die absolute Kehrtwende weg von einer kapitalistischen Wohnungspolitik bedeutet, nicht mal weg von einer neoliberalen Stadtpolitik.
Denn erstens schränken höherrangige Gesetze und Richtlinien bis hoch zur EU-Ebene den Spielraum der Landespolitik ein: keine Enteignungen von ungenutzten Flächen und Wohnraum, keine Mietpreisobergrenze, bestehende Knebelverträge im alten Sozialen Wohnungsbau sind einzuhalten.
Zweitens ist ein Volksentscheid innerhalb der Landespolitik gegenüber normalen Gesetzgebung im Parlament diskriminiert: Während im Abgeordnetenhaus ganze Gesetzespakete verabschiedet werden, muss bei einem Volksentscheid penibel darauf geachtet werden, dass Maßnahmen in ein einziges, inhaltlich-juristisch zusammenhängendes Gesetz passen. Eine „Koppelung“ verschiedener Rechtsbereiche und Themen ist nicht erlaubt.
Drittens hat man aber zu unserem Bedauern auch nicht die Möglichkeiten innerhalb dieser Grenzen voll ausgeschöpft. Etwa in den Verwaltungsräten der neu zu schaffenden öffentlichen Wohnungsbauanstalten: Hier haben im vorgeschlagenen Gesetz die Vertreterinnen und Vertreter des Senats weiterhin eine Stichmehrheit.
Im Bündnis Mietenvolksentscheid gab es intensive Diskussionen, diesen Passus im Nachhinein zu ändern – wir als Interventionistische Linke setzten uns für eine stärkere Beteiligung von Mieterinnen und Mietern wie auch der Belegschaft ein, nach dem Modell des Energie-Volksentscheids von 2013. Damit konnten wir jedoch im Bündnis nicht überzeugen – es wurde befürchtet, dass dies dazu führe, dass sich der Senat aus seiner Verantwortung für die Wohnungsunternehmen zieht. Außerdem wurde davon ausgegangen, dass diese Veränderung nur zu einer längeren rechtlichen Prüfung des Volksentscheides führen, aber am Ende abgelehnt würde. Denn Anpassungen zwischen zwei Stufen eines Volksentscheides dürfen den wesentlichen Charakter des vorgeschlagenen Gesetzes nicht verändern. Daher wurden am Ende vom Bündnis nur kleinere Änderungen vorgeschlagen, etwa zur Vermeidung unnötiger Kosten und zur Verbesserung der Wohnsituation von Geflüchteten. Doch auch diese wurden nicht genehmigt – die Landeswahlleitung verbot aus formalen Gründen auch technisch-juristische Präzisierungen.
Dieser geschickte Schachzug setzte das Bündnis unter Druck: Die Kombination aus Änderungsverbot und Drohung mit Verfassungsgericht zwang das Bündnis Mietenvolksentscheid an den Gesprächstisch.

Die Dialektik von Bewegungsmacht

Wenn man von mit einer Bewegung von unten radikale Veränderungen herbeiführen will, dann müssen auch realpolitische Forderungen gestellt werden – dies hat der Mietenvolksentscheid von Anfang an gewagt und sich um Reformismusvorwürfe nicht gekümmert. Grade deshalb gelang es, die Profitlogik im Wohnungsmarkt auf breiter Front infrage zu stellen.
Wie die Geschichte zeigt, bergen solche Erfolge allerdings auch immer Risiken. Wer sich in das Feld der Herrschenden begibt, muss mit den dort geltenden Regeln umgehen lernen. Hier jedoch kann der Gegner schnell die Initiative an sich ziehen – diese Situation droht dem Mietenvolksentscheid: gestartet als Kampagne auf der Straße, ist er nun durch geschicktes Taktieren des Senats zur Frage des Verwaltungsrechts geworden.
Die Gespräche bergen nun die Gefahr, dass nur Teile des Gesetzes übernommen werden. Dadurch blieben einerseits Forderungen unerfüllt. Vor allem jedoch liegt die Initiative nicht mehr bei der Bewegung, die selbstbewusst einen Forderungskatalog aufstellt und auf der Straße durchdrückt. In den Gesprächen reden nur Wenige, und das abgespeckte Ergebnis kann schnell als Gabe der Herrschenden präsentiert werden. Die Mobilisierung der Mieterinnen und Mieter könnte zum Erliegen kommen, noch bevor der Volksentscheid seine zweite Phase erreicht hat. Die stadtweite Diskussion über ein Ende der Profitlogik im Wohnungsmarkt und eine öffentliche Sicherung des Rechts auf Wohnung darf  jedoch jetzt nicht abebben. Sie muß weitere Kreise zu ziehen und mehr Menschen mobilisieren, nur so können Ergebnisse und Verbesserungen durchgesetzt werden.

  • Die Gespräche sind ein Dilemma. Sie einfach abzubrechen ist keine Option, die Drohung einer verfassungsgerichtlichen Entsorgung des Gesetzes ist zu real, um ignoriert zu werden. Gleichzeitig darf sich die mietenpolitische Bewegung nicht über den Grünen Tisch ziehen lassen.
  • Wir müssen darauf achten, dass das Angebot der SPD bzw. der Regierungsparteien nicht nur ein Spatz in der Hand ist: das ganze Gesetz ist der Maßstab. Dabei muss klar gemacht werden, dass das Gesetz des Mietenvolksentscheid nur eine Minimalforderung ist, die durch die Anpassung an die rechtlichen Erfordernisse entstanden ist. Die wirklichen Forderungen gehen weit darüber hinaus. Dies muss unsere Botschaft sein, denn die SPD kann, wenn sie will, jederzeit über das Gesetz hinaus gehen und zum Beispiel die Berechnung der Kostenmiete überprüfen, die Verträge der GSW Privatisierung veröffentlichen und Vertragsbrüche verfolgen etc.
  • In den Gesprächen muss klargemacht werden, dass der Druck der Straße die Gespräche überhaupt erst erzwungen hat, ein Wegverhandeln wesentlicher Inhalte ist ein Schlag ins Gesicht für zehntausende Unterstützerinnen und Unterstützer des Gesetzes.
  • Die Gespräche müssen schnellstmöglich öffentlich gemacht werden. Ganz Berlin hat ein Recht, hier Bescheid zu wissen.
  • Sollten Senat und Abgeordnetenhaus die wesentlichen Inhalte des Gesetzes nicht übernehmen, muss die zweite Stufe der Unterschriftensammlung und schließlich der Volksentscheid ermöglicht werden.
  • Ein gerichtliches Verbot oder eine Verzögerung des Volksentscheids sind nicht hinnehmbar. Sollten Senat oder Abgeordnetenhaus Klage erheben, dann geht es nicht um eine „verfassungsrechtliche Prüfung“. Es geht um ein Verhindern von direkter Demokratie.

Wir müssen unseren Delegierten in den Gesprächen den Rücken stärken: Nur, wenn Sie eine Bewegung hinter sich wissen, können sie den Manövern des Senats eine starke Position entgegenstellen. Deshalb muss Öffentlichkeit hergestellt werden und Druck aufgebaut werden. In dieser Situation sind nicht nur die Aktiven im Volksentscheid-Bündnis, sondern alle aktiven Mieterinnen und Mieter, die ihre Unterschrift für das Gesetz gegeben haben, gefordert. Insbesondere die organisierte Linke, die Kiezinitiativen und stadtpolitischen Gruppen sind gefragt:  Die Gespräche zum Mietenvolksentscheid müssen in der Bewegung und in den Kiezen diskutiert werden. Stadtpolitisch Aktive sollten die Gelegenheit Nutzen, beim Aktiventreffen des Mietenvolksentscheid mitzureden – die Termine sind öffentlich und unter https://mietenvolksentscheidberlin.de/ einzusehen.

Zur Debatte:

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