Der Investor Arne Piepgras treibt mit seinem „Stattbad“ Wedding die Gentrifizierung des Weddings aktiv voran, um die optimale Verwertung seines Grundstücks zu sichern.
2001 wurde das kommunale Schwimmbad ersatzlos stillgelegt, das seit 1907 der Weddinger Bevölkerung zuerst vorrangig zu hygienischen Zwecken, später dann mehr zu sportlichen Zwecken gedient hat.
Piepgras hat Jahre nach der Stillegung des Schwimmbads das Gebäude vom Land Berlin zu einem skandalös günstigen Preis erworben. Vom niedrigen Bodenwert bei einer öffentlichen Nutzung wurden auch noch die virtuellen Abrisskosten abgezogen.
2009 wurde das Schwimmbad unter dem einfallslosen und die Nachbarschaft eher provozierenden Namen „Stattbad Wedding“ als temporäre kulturelle Einrichtung geöffnet. Der Großteil der Flächen wird als Zwischennutzung mit kurzen Mietverträgen als Büros für die sogenannte Kreativwirtschaft, als Proberäume oder Ateliers vermietet. Mit den bekannteren Namen wird dann Werbung gemacht. Daneben finden in den attraktiven ehemaligen großen Schwimmbadhallen wild durcheinander Ausstellungen und Musikveranstaltungen statt.
In der Eigenbeschreibung werden penetrant die „Kreativen aus aller Welt“ angesprochen, die Räume im Stattbad nutzen sollen, das mittlerweile „internationalen Ruf“ genießen würde. Im letzten Satz wird dann auch noch angefügt, die MieterInnen „bereichern das kulturelle der Nachbarschaft“, was immer das auch heißen mag. Positiv klingt das nicht.
Zur Finanzierung tragen die gut besuchten Clubnächte und die zahlreichen Mietverträge für die Ateliers, Büros, Proberäume und Werkstätten im Haus bei. Aufgrund des sehr niedrigen Kaufpreises und der geringen Investitionen, die seitdem getätigt wurden, ist das Gebäude schon im jetzigen Zustand hoch profitabel und könnte mittelfristig auch so weiter betrieben werden.
Piepgras ist in den letzten Jahren immer wieder in die Öffentlichkeit getreten, um seine hochfliegenden Pläne vorzustellen, die genauso schnell wieder verpufften. Als erstes wollte er die Berliner Kunsthalle hier einbauen, für die dann auch noch öffentliche Gelder fließen sollten. Dafür pries er sein Gebäude als großartige Möglichkeit für die Berliner und internationale Kunstszene an.
Mit den üblichen Floskeln der Gentrifizierung warb er für sich: der Wedding mit seiner aufstrebenden Energie, den günstigen Mieten und ungenutzten Flächen sei ein idealer Nährboden für künstlerische und kulturelle Einrichtungen. Dazu nimmt er kommerzielle Kunstprojekte wie die Uferhallen und vereinnahmt benachbarte kommunale und selbstverwaltete Atelierhäuser und gemischte Projekte als „künstlerisches Umfeld, das frischen Wind in den Kiez bringt“.
Angekündigte große Investitionen in Konzerthallen oder überhaupt in das Gebäude sind nicht über die Planungsphase hinausgekommen. Piepgras spielt mit den üblichen Mechanismen der Zwischennutzung durch Künstlerinnen und Künstler. Diese sollen einen Standort durch ihre eigene Arbeit attraktiv machen, dürfen sich dann aber bei einer langfristigen Nutzung nur mit überhöhten Mieten beteiligen oder sollen verschwinden, wenn eine profitablere Nutzung auftaucht.
Blaupause Landsberger Allee 54
Eine Blaupause für das agieren des „Investors“ Piepgras befindet sich in der Landsberger Allee 54 in Friedrichshain. Bis 2011 wurde die ehemalige Brauerei 6 Jahre lang als Atelier-und Ausstellungsort von 50 Künstlern, Musikern und fünf Galerien genutzt. Anfang 2011 wurde der Verkauf des Gebäudes von der Quantum Immobilien-Projektentwicklungsgesellschaft an die Berliner Estavis AG bekannt gegeben. 43 Millionen Euro sollten in die „Friedrichshöhe“ investiert werden 152 Wohnungen und neun Gewerbeeinheiten sollten auf 8400 Quadratmetern entstehen. Im März 2012 Stand jedoch ein erneuter Verkauf ins Haus. Diesmal ging die Immobilie an den Investor Achaz von Oertzen (PABR Verwaltung GmbH), die KünstlerInnen waren zu diesem Zeitpunkt schon vertrieben. Noch heute versucht ein Teil der im Kiez verbliebenen KünstlerInnen den jetzigen Eigentümer zur Integration eines Teils ihres Konzepte zu überreden.
Die Friedrichshainer Lokalpolitik begrüßte bis zur Räumung öffentlich die Entwicklung des Künstlerhauses, beendete jedoch im Oktober 2011 die Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes der Patzenhofer Brauerei und machte es aus bau- und brandschutzrechtlichen Gründen dicht. Die ansässigen KünstlerInnen wiesen den Eigentümer zuvor immer wieder auf gravierende Mängel am Gebäude hin, ohne dass dieser reagierte. Als Folge wurde von einem Teil der ansässigen KünstlerInnen der „Kunstverein LA54“ gegründet um die nötigsten Reparaturen zu finanzieren.
Den Verkauf der Brauerei begründete Arne Piepgras damals gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern mit dem ausbleiben einer EU-Förderung zur Instandhaltung des Gebäudes. Auch für das Stattbad Wedding ist das Geschrei nach Förderungen groß, hier unter dem Deckmantel „Berliner Kunsthalle“.
Neben dem Geschrei um Förderung wurde der Verein „Förderverein Landsberger Allee 54 e.V.“ (nicht zu verwechseln mit dem LA54 e.V.) an den neuen Standort mitgenommen. Dieser firmiert nun im „Stadttbad“ und mit neuem Namen unter dem Titel „Förderverein kreatives Berlin e. V.“. Der damalige Pächter der Landsberger Allee 54 Daniel Künzel war zeitweilig Vorstand dieses Vereins, Arne Piepgras selber übernahm zeitweilig die Stellvertretung.
Jochen Küpper und Daniel Plasch die heutigen Geschäftsführer der Stattbad Berlin UG, die die Ausrichtung von Veranstaltungen sowie den Betrieb des „Kultur- und Veranstaltungszentrums“ Stattbad Wedding zum Auftrag hat, sind zum heutigen Zeitpunkt Deckungsgleich mit den Vorständen des „Förderverein kreatives Berlin e. V.“. Dieser hat sich als neue Aufgabe die kreative Vermarktung des Stadtteils mit Projekten wie dem Kulturnetzwerk Wedding & Moabit geschaffen.