[Flensburg] „Aus ist der Traum“ – Lokalpresse zur Räumung der #Luftschlossfabrik

Quelle: SHZ

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Einsatzkräfte der Polizei während der Räumung des alternativen Kulturzentrums Luftschlossfabrik in Flensburg.

Flensburg | Aus ist der Traum vom sozialen und kulturellen Freiraum an der Harniskaispitze. Die Zwangsräumung durch die Stadt Flensburg am Mittwoch schafft Fakten (Alle Ereignisse im Liveticker auf shz.de). Mit Bulldozern wird in Schutt und Asche gelegt, was für viele Flensburger Zuhause, Anlaufstelle, Kulturangebot und Großstadtflair war. Auf dem Gelände, auf dem noch am Wochenende Bauwagen standen, herrscht nach dem Einsatz der Polizei Chaos.

Ein autonomer Raum, der keine Daseinsberechtigung an diesem Ort hatte, argumentieren die einen. Dabei hatte die Stadt die Bewohner und ihre durchaus positiven Ideen für das Projekt (Fahrradwerkstatt, Kulturcafé, Konzerte etc.) nach dem peinlichen Reinfall mit Highship Ltd. mehr als zwei Jahre lang geduldet. Mit welcher Entschlossenheit alles, was dort entstanden ist, an einem Tag dem Erdboden gleichgemacht werden soll, ist schon erstaunlich. So viel Entschlusskraft erfährt man aus dem Rathaus der Stadt Flensburg in der Regel nicht, betrachtet man andere Projekte in der Stadt (unter anderem das Hallenbad oder das Gelände des VfB Nordmark).

Eine Nachnutzung für den durch Maschinen geschaffenen neuen „Freiraum“ gibt es bislang nicht. Warum also jetzt eine Räumung, die vor allem eins hervorruft: Unverständnis? In relativer Abgeschiedenheit haben sich dort Menschen verwirklicht, die anders leben wollen als der 08/15-Bürger. Dies scheint der Stadt Flensburg ein Dorn im Auge gewesen zu sein. Öko-Spinner, Zecken, Autonome, Alternative: Die will man da nicht haben. Verkauft sich halt schlecht. An wen? Egal. Irgendwann kommt schon der passende Investor, um neue Luftschlösser zu bauen. Dabei hätte ein „Mini-Christiania“ Flensburg aus rein kulturellem und wirtschaftlichem Aspekt ganz gut getan. Das gilt nicht nur für den Tourismus allein, sondern auch für potentielle Zuzügler, die nicht das Spießertum suchen, das an jeder Ecke zu finden ist.

Hinzu kommt, dass die Stadt den Bewohnern offenbar keine wirkliche Alternative geboten hat. Eine Diskussion über einen anderen Standort für die Luftschlossfabrik hätte viel früher und intensiver geführt werden können – oder müssen. Verständnis für die Räumung hätte es höchstens dann gegeben. Oder wenn ein spruchreifes künftiges Nutzungskonzept an der Harniskaispitze vorgelegen hätte. So fragen sich viele Unterstützer des Projekts und Bürger zurecht: „Hätte man die Leute nicht bis dahin da leben lassen können? Haben doch keinem was getan.“ Sicherlich haben auch die Befürworter der Räumung recht, wenn sie sagen: Das Gelände gehört der Stadt und die kann es für sich beanspruchen. Dass sie so rabiat agiert, macht jedoch stutzig.

Dass Autonome für den Erhalt der Luftschlossfabrik mit Barrikaden und passivem Protest gekämpft haben und dafür auch von außerhalb Flensburgs angereist sind, hat überdies zumindest ein letztes Zeichen gesetzt. Als klar wurde, dass eine vernünftige Diskussion auf Augenhöhe zwischen Stadt und Bewohnern nicht mehr möglich ist, wurden eigene Register gezogen und zum Widerstand aufgerufen. Der war allerdings angesichts der Entschlossenheit der Stadt schnell gebrochen. Sicher wäre eine andere Lösung möglich gewesen als das, was wir heute in Flensburg beobachten durften. Immerhin ist die Stadt an der Förde einmal mehr durch Unvermögen in die Schlagzeilen gekommen. Wie ein Twitterer passend umschreibt: „Ein Stück Freiheit ist heute gestorben.“

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