Arte-Text:
Hausbesetzer? Das sind linke Chaoten und Unruhestifter…. zumindest in großen Teilen der öffentlichen Wahrnehmung. Doch die hinkt der Wirklichkeit hinterher. TRACKS hat sich umgeschaut und festgestellt: Die Front der Hausbesetzer wächst und sie wird bunter!
Rom 2009. Dutzende Menschen öffnen ein altes Fabrikgelände. Ihr Ziel: Ein neues Zuhause. Unter ihnen sind neben Italienern viele Migranten und knapp 100 Roma, die von ihrem bisherigen Gelände vertrieben wurden. Ihre selbstgebauten Behausungen wurden zerstört. Die Besetzung ist ihre Hoffnung auf eine dauerhafte Bleibe. In Metropoliz, wie die stillgelegte Fabrik genannt wird, wohnen nun über 300 Männer, Frauen und Kinder.
Insgesamt gibt es in Rom derzeit über 60 besetzte Häuser. Auch in anderen europäischen Großstädten versuchen Menschen mit Besetzungen die Politik zu beeinflussen. Aufsehenerregendstes Beispiel der letzten Jahre waren die Proteste um den Gezi-Park in Istanbul: Der Park soll einem Einkaufszentrum zum Opfer fallen. Tausende Menschen besetzen den Park und den angrenzenden Taksim-Platz im Zentrum der Stadt. Der Staat reagiert: Bei mehrtägigen Ausschreitungen, die sich auf das ganze Land ausweiten, gibt es mindestens fünf Tote. Der Taksim-Platz wird zum Symbol einer Politik, die sich nicht für die Interessen der Bevölkerung einsetzt.
Hausbesetzungen, auch „Squatting“ genannt, kommen ursprünglich aus England und dabei ging es von Anfang an friedlich zu – aufgrund alter Gesetze aus dem Mittelalter waren die Besetzungen im Vereinigten Königreich lange Zeit sogar legal. Erst in den 80ern krachte es zwischen Besetzern und der Polizei – vor allem in Berlin und Zürich.
Deswegen sind im Blick der breiten Öffentlichkeit Hausbesetzer immer noch linke, militante Chaoten, die die Entwicklung, gegen die sie eigentlich vorgehen wollen, beschleunigen: die Gentrifizierung. Doch die Feuilleton-Wahrheit, dass nach besetzten Häusern erst hippe Clubs, dann große Ketten und Luxus-Appartements kommen, kann mit Studien nicht belegt werden.
Heute ist das Konzept der Besetzer sowieso ein anderes: Bunte Parade statt schwarzer Block. Die Generation Party macht Politik und schafft Aufmerksamkeit mit unangemeldeten Karawanen zu leerstehenden Häusern. Beim Urban Ätsch in Hamburg statten junge Aktivisten und Aktivistinnen leerstehenden Häusern und Mietpreistreibern öffentlichkeitswirksame Besuche ab – bewaffnet mit Glitzer und Soundsystem.
Mit Partys zu bezahlbarem Wohnraum? Wäre toll wenn das klappt. Zumindest aber hilft es, dass vielleicht auch hierzulande sich mehr Menschen mit Hausbesetzungen positiv auseinandersetzen.
Links:
http://chieforganizer.org/2011/10/10/visiting-the-metropoliz-squatters-in-rome
http://sqek.squat.net/
http://urbanaetsch.blogsport.de/