Als Nachbarn und AnwohnerInnen vom Kottbusser Tor erhalten wir seit über einem Jahr ein Protestcamp am „Kotti“ um gegen die Berliner Regierungspolitik von CDU und SPD zu protestieren, die uns aus Kreuzberg vertreibt. Kreuzberg ist unser zu Hause, wir haben es zu dem gemacht, was es ist – ein Bezirk, in dem Menschen willkommen geheißen werden, egal, wo sie herkommen. Wir alle wissen auch, dass das nirgendwo in diesem Land selbstverständlich ist und immer wieder die Form des Gemeinsamen neu ausgehandelt werden muss. Als die Refugees nach Berlin wanderten und ihren Protest gegen die Bedingungen, die ihnen die Bundesrepublik auferlegt, auf die Strasse trugen, haben wir das mit Begeisterung begrüßt und tun das noch heute.
Wir hatten von Anfang an solidarischen, unterstützenden und freundschaftlichen Kontakt zu dem Refugeecamp am Oranienplatz, und auch davor am Heinrichplatz. Wir unterstützen die Refugees in all ihren politischen Forderungen, geht es ihnen genauso wie uns letztendlich um ihr Recht, gleiche Rechte zu haben, wie diejenigen die länger hier sind oder mehr Geld haben.
Viele von uns waren am 17.6. auf dem Oranienplatz, nachdem es nach dem Messeranschlag auf einen Refugee zu einem eskalierenden Polizeieinsatz kam, welcher sich gegen die Refugees und deren Unterstützer_innen richtete, und mehrere Festnahmen zur Folge hatte. Wir konnten beobachten, dass die Polizei durch unprofessionelles Handeln die Situation eskalierte, anstatt besonnen die angespannte Lage zu beruhigen.
Während der schwerverletzte Mann noch immer im Krankenhaus behandelt wird, versuchen verschiedene politische Akteure, manche Nachbar_innen gegen die Refugees aufzuwiegeln. Wir beobachten, wie ein Konflikt entlang von Kategorien des Rassismus konstruiert wird, mit dem Ziel, den Refugees ihr politisches Anliegen abzusprechen und mit den üblichen rassistischen Zuschreibungen. Wir sehen, wer im Wahlkampf ein Interesse daran hat, die berechtigten Proteste gegen die repressive Asylpolitik der Bundesrepublik verhindern zu wollen.
Wir selbst kennen aus unserer Campgeschichte solche Versuche, insbesondere von bestimmten CDU-Bezirkspolitikern, uns in „Türken“ und „Deutsche“ einteilen, um dann die einen gegen die anderen aufzuhetzen zu wollen. Es ist ihnen nicht gelungen, unser Vertrauen ineinander anhand von so billigen rassistischen Strategien zu verkleinern, denn wir sehen, dass weder Ihnen noch ihrer Partei es tatsächlich darum geht, die Verdrängung der Armen zu verhindern, sondern vielmehr darum, gegen Bezirksbürgermeister Franz Schulz zu aufzuwiegeln, der beide Camps schützt.
Wir haben also Erfahrung damit, wie politische und soziale Forderungen von Protestbewegungen ignoriert werden und Rassismus gezielt eingesetzt wird, um Politik zu machen. Unsere Erfahrung ist aber auch, dass wir immer dann stark sind, wenn wir uns weigern, uns in Kategorien einteilen zu lassen und stattdessen darüber sprechen, was die konkreten Probleme sind.
Wir gehen nicht davon aus, dass es einfach ist, wenn viele Menschen mit sehr verschiedenen Weltanschauungen und Vorstellungen eines Miteinanders, mit verschiedenen Flucht-, Migrations-, und anderen Lebensgeschichten aufeinander treffen. Es muss immer ausgehandelt werden, was der gemeinsame Nenner ist. Wir wissen, dass das Refugee-Camp diese Aushandlungsprozesse täglich führt und viele Erfahrungen mitbringt, wie das gehen kann.
Wir wissen auch, dass viele Nachbarn schon sehr lange Zeit solidarisch mit den Refugees sind, anders, als das beispielsweise 1993 in Rostock-Lichtenhagen der Fall war. Denn in Kreuzberg wissen viele sehr sehr genau, was Rassismus bedeutet und versuchen jeden Tag, damit umzugehen, dass es ihn in dieser Gesellschaft gibt. Das dieses viel von uns fordert – immer wieder – ist uns dabei bewusst.
Als Zeichen der praktischen Solidarität haben wir ein Kottizelt auf dem Oranienplatz errichtet, in dem immer jemand von uns übernachtet, wir verbringen soviel Zeit wie möglich vor Ort und sind jederzeit ansprechbar für Unterstützung!
Wir unterstützen die Gespräche mit Bezirksbürgermeister Schulz und vertrauen auf Kreuzberg, das Konflikten nicht aus dem Weg geht, sondern sie auf Augenhöhe löst.
Wir grüßen den Verletzten und fordern eine sofortige, positive Bescheidung seines Asylantrags!
Kotti & Co | Die Mietergemeinschaft am Kottbusser Tor am 25.6.2013